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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Triktrak, die Geographie, die Typographie und die Komödie etc. finden, ohne die allzu gerühmten Meisterwerke Delilles auf das Mitleid, die Einbildungskraft, die Unterhaltung, und die von Berchoux auf die Gastronomie, die Dansomanie etc. zu zählen. Vielleicht wird man sich in fünfzig Jahren über die tausend Gedichte im Gefolge der »Meditationen« und der »Orientalinnen« etc. lustig machen. Wer kann die Geschmackswandlungen, die Bizarrerien der Beliebtheit und die Wandlungen des menschlichen Geistes vorhersehen; Generationen fegen im Vorüberwandeln die Idole, die sie auf ihrem Wege finden, bis auf ihre Fußspuren weg und errichten sich neue Götterbilder, die ihrerseits werden gestürzt werden.
    Sarcus, ein schöner, kleiner, eisengrauer alter Mann, beschäftigte sich zugleich mit Themis und Flora, das heißt mit den Gesetzen und einem Treibhause. Er arbeitete seit zwölf Jahren im Geiste an einem Buche über »die Geschichte der Institution der Friedensrichter, deren politische und richterliche Rolle bereits mehrere Phasen durchgemacht hatte,« sagte er, »denn durch das Gesetzbuch vom Brumaire des Jahres IV waren sie alles, während diese für das Land so wertvolle Institution heute ihren Wert verloren hatte, in Ermanglung von Gehältern, die mit der Wichtigkeit der Funktionen, die unwiderruflich sein sollten, in Einklang standen.« Da Sarcus als tüchtiger Kopf galt, war er zum Politikus des Salons gestempelt worden; ihr könnt euch denken, daß er dort ganz einfach der langweiligste war. Man sagte von ihm, er rede wie ein Buch; Gaubertin versprach ihm die Ehrenlegion, vertröstete ihn jedoch auf den Tag, wo er als Leclercqs Nachfolger auf den Bänken des linken Zentrums sitzen würde.
    Der Steuereinnehmer Guerbet, ein Mann von Geist, ein dicker, plumper Gesell mit zerflossenem Gesicht, falschen Haaren, goldenen Ringen in den Ohren, die sich beständig mit seinem Hemdkragen befehdeten, hatte sich auf Pomologie gelegt. Stolz darauf, den schönsten Obstgarten des Kreises zu haben, erhielt er das Frühobst um einen Monat später als die Pariser. Er zog in seinen Warmbeeten die tropischsten Sachen wie Ananas, Nektarinen und Schoten. Voller Stolz brachte er Madame Soudry einen Erdbeerstrauß, wenn das Körbchen in Paris zehn Sous kostete.
    Soulanges besaß endlich in Monsieur Vermut, dem Apotheker, einen Chemiker, der etwas mehr Chemiker als Sarcus Staatsmann, als Lupin Sänger, Gourdon der Aeltere Gelehrter und sein Bruder Dichter waren. Nichtsdestoweniger machte die erste Gesellschaft der Stadt wenig Aufhebens von Vermut, und für die zweite existierte er nicht einmal. Dem Instinkte der einen zeigte sich vielleicht eine wirkliche Ueberlegenheit in diesem Denker an, der kein Wort äußerte und bei den Albernheiten, die er hören mußte, mit einer so spöttischen Miene lächelte, daß man seiner sotto voce in Frage gestellten Wissenschaft mißtraute; was die anderen anlangte, so nehmen sie sich nicht die Mühe, sich mit ihm zu befassen.
    Vermut war der Sündenbock in Madame Soudrys Salon. Keine Gesellschaft ist vollständig ohne ein Opfer, ohne ein beklagenswertes Wesen, das man verspotten, verachten und beschützen kann. Erstens erschien der mit wissenschaftlichen Problemen beschäftigte Vermut mit loser Krawatte, offener Weste und einem immer fleckenbesäten kurzen grünen Ueberrock. Zweitens forderte er durch ein zurechtgemachtes Gesicht so sehr zu Scherzen heraus, daß Vater Guerbet behauptete, er hätte schließlich die Miene seiner Praxis angenommen.
    In der Provinz, in so rückständigen Orten wie Soulanges, verwendet man die Apotheker noch im Sinne der Pourceaugnacschen Späße. Diese ehrenwerten Gewerbetreibenden geben sich um so mehr dazu her, als sie eine Versetzungsentschädigung verlangen.
    Der kleine, mit einer Chemikergeduld begabte Mann konnte (einem Worte gemäß, dessen man sich in der Provinz bedient, um die Abschaffung der häuslichen Gewalt auszudrücken) Madame Vermuts nicht froh werden, die eine reizende Frau, eine muntere Frau, eine großzügige Spielerin war (sie verstand vierzig Sous zu verlieren, ohne ein Wort zu sagen), die auf ihren Mann schimpfte, ihn mit ihren Epigrammen verfolgte und ihn als einen dummen Tropf hinstellte, der nur die Langeweile zu destillieren vermöchte. Madame Vermut, eine jener Frauen, die in kleinen Städten die Rolle der Spaßangeber spielen, trug dieser kleinen Welt das Salz zu, Küchensalz freilich, aber welch ein Salz! Sie nahm sich ein bißchen derbe

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