T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
fährst mit deinem Rollstuhl doch ständig dorthin. Ich habe mich immer schon gewundert, wieso. Jetzt weiß ich es.«
»Nein, das stimmt nicht, ich habe ihm nur Ehre erweisen wollen.«
»Unsinn!«
»Du müsstest dich mal hören, Ava. Du bist ja völlig außer dir! Ich habe dieses …
Ding
hier noch nie im Leben gesehen. Du machst mir Angst!«
»Prima! Genau das hatte ich vor.«
»Aufhören.« Dern stieß sich vom Türrahmen ab und betrat das Zimmer.
»Sie war’s!«, stieß Ava mit funkelnden Augen hervor.
»Und wie sollte ich dazu in der Lage sein?«, fragte Jewel-Anne. »Wie in Gottes Namen sollte ich ein Loch graben und einen – Sarg, hattest du Sarg gesagt? –, einen Sarg in der Erde versenken und das Loch wieder zuschaufeln, noch dazu ohne dass jemand etwas bemerkt? Ich sitze im Rollstuhl, Ava, ich könnte nicht mal den Stein bewegen!«
Sie wirkte so überzeugend, dass Ava einen Anflug von Zweifeln verspürte.
Trotzdem: Jewel-Anne musste einfach dahinterstecken! Wer sonst hätte ein Interesse daran, sie derart zu quälen? Schritte hallten durch den Flur, ein paar Sekunden später erschien Demetria.
»Was ist denn hier los?«, fragte sie.
»Jewel-Anne versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben.« Ava hob die Puppe auf und hielt sie in die Höhe. »Damit.«
»In den Wahnsinn treiben?«, wiederholte die Pflegerin.
»Sie denkt, ich tue Dinge, die sie glauben machen sollen, sie sei wahnsinnig«, erklärte Jewel-Anne. Sie hatte ihre Fassung wiedergefunden, die Farbe war in ihr Gesicht zurückgekehrt, und auf ihren Wangen brannten rote Zornflecken.
Dern betrachtete die drei Frauen ausdruckslos, es ließ sich nicht sagen, was er von der Sache hielt.
»Fangen wir mit Noahs nassen Schuhen an«, sagte Ava. »Oder mit dem Schlüssel, den mir jemand in die Strickjackentasche gesteckt hat und der ›zufällig‹ zu dem Sarg mit dieser Puppe darin passt – einer Noah-Puppe.« Sie schüttelte die Puppe so heftig, dass der Porzellankopf vor- und zurückschleuderte.
Jewel-Annes Lippen zitterten. »Lass deine alberne Paranoia nicht an mir aus! Du bist diejenige, die verrückt ist, Ava. Vermutlich hast du das alles selbst inszeniert. Und vielleicht wolltest du dich aus genau dem Grund umbringen, weil du mit deiner Schuld nicht fertig wirst!«
»Dreh den Spieß nicht um!«
»Alle denken das, sogar die Polizei. Es ist
deine
Schuld, dass Kelvin mit dem Boot rausgefahren ist,
deine
Schuld, dass er jetzt tot ist und ich in diesem verdammten Rollstuhl sitze.
Du
bist die Person, die Cheryl unmittelbar vor ihrem Tod aufgesucht hat – wenn sich da nicht ein Muster erkennen lässt! Diese … diese ›Innenschau‹, die du da veranstaltest, ist doch bloß vorgetäuscht. Wie praktisch, dass ausgerechnet
du
Noahs Schuhe in seinem Kinderzimmer gefunden hast, wo alle anderen wussten, dass du sie in deinem Kleiderschrank aufbewahrst! Und was diesen blöden Schlüssel angeht« – sie wedelte abweisend mit der Hand –, »den hast du vermutlich selbst in deine Tasche gesteckt und vergessen.« Jewel-Anne holte tief Luft und funkelte Ava entrüstet an. »Außerdem: Hätte ich dir einen üblen Streich spielen wollen, hätte ich eine meiner eigenen Puppen dazu verwendet! Dieses Ungetüm habe ich noch nie im Leben gesehen. Warum sollte ich so etwas tun?«
»Weil du glaubtest, mich damit irremachen zu können«, erwiderte Ava, doch sie erkannte, dass Jewel-Annes Argumente stichhaltig waren.
»Das tust du schon selbst!«
»Das ist doch –«
»Verrückt. Ich weiß. Dennoch gehe ich langsam davon aus, dass du nicht mehr weißt, was du tust, Ava. Vielleicht bist du tatsächlich überzeugt von alldem … Unsinn, den du da behauptest, weil du dich nicht erinnerst. Es gibt Menschen mit einer Persönlichkeitsspaltung … Wie nennt man das noch? Nicht Schizophrenie, sondern …« Sie blickte Demetria hilfesuchend an. »Sie müssten das doch wissen, oder?«
»Dissoziative Identitätsstörung, die Betroffenen bilden multiple Persönlichkeiten aus«, erklärte die Pflegerin.
Ava starrte Demetria an, dann wieder Jewel-Anne. »Ich habe die Noah-Puppe nicht unter dem Gedenkstein vergraben!«
»Ach, wirklich nicht?« Jewel-Anne richtete sich in ihrem Rollstuhl auf und fuhr näher an Ava heran, den Blick anklagend auf ihre Cousine gerichtet. »Woher willst du das wissen?«
Die Puppe fiel aus Avas Hand und blieb in einem merkwürdig geformten Klumpen am Boden liegen. Das halbgeöffnete Auge war vorwurfsvoll auf Ava gerichtet.
Da
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