Tablettenfee
und besser zu sein war wirklich das Lebenselixier von Paul Krause.
«Was ist? Willst auch eines?«, hakte Schnibbi nochmal nach.
»Boah, billig ist es nicht – aber UNBEDINGT!« – mit einem High-Five und einem fetten Grinsen am Gesicht war dieser Kauf besiegelt.
Arggh! Kopfschmerzen. Grad nicht mehr dran gedacht – aber nun waren sie wieder da. Udo fuhr mit der Hand zum Kopf.
»Tut dir immer noch der Schädel weh?«
Udo war verwundert, wie konnte er das sehen? Schnibbi hatte seinen Kopf nicht einen Millimeter bewegt. Sein Blickfeld war gleich nach dem Gespräch zurück auf das Apfel-Phone gewandert. Seine Finger huschten schon seit den letzten Fragen wieder im Automatismus über das Bedienfeld. In Gedanken stellte er sich Schnibbi als eine Mischung aus EDV-Nerd und Chamäleon vor. Nicht wegen der teilweisen, eher irrtümlich nachgesagten Fähigkeit zur Camouflage, sondern mehr wegen den hervorstehenden, in alle Richtungen drehbaren Augen. Seine Phantasie ging mit ihm durch.
»Ja. Habe ich. Mensch, ich glaub der platzt.«
»Booohaaa. Alter.«, Schnibbi klang fast ehrfürchtig.
»Ich will gar nicht wissen, was du am Samstag noch gemacht und getrunken hast, nachdem ich weg war! Was muss man machen, dass man heute noch Schmerzen in der Rübe hat … Erzähl mal, was war da eigentlich genau? Weil alles was ich weiß, ist mein Wissen aus unserem Telefonat am Sonntag. Also quasi nichts. Außer dass es vermutlich etwas mit dieser Bianca zu tun hat, nach der du gefragt hast.«
Udo kam dem Wunsch bereitwillig und gerne nach.
Auch wenn Schnibbi am Ende der Geschichte in Wahrheit genau so wenig wusste wie Udo.
»Hehehe … Alter … lol. FETT!!!! Du hast echt die Blumen ausgerissen. Und damit Bianca geschrieben!?!??«
Ein wenig beschämt, aber doch mit einer gewissen Form von Stolz, bestätigte Udo dies. Nachdem dann auch noch die restlichen Fragen geklärt worden waren, ging es ab zu Schnibbis Auto. Schnibbi hatte den Boliden unmittelbar vor dem Wohnblock von Udo geparkt.
Schnibbi fuhr mittlerweile einen Seat Leon Cupra. Davor nannte er einen Peugeot Cabrio sein Eigen und noch davor einen Audi A3. Zu beiden waren Dinge und Geschichten geschehen, die Udo bis heute nicht verstand. Der Audi A3 war Schnibbis erstes Auto gewesen – und dieses Auto war auch schuld daran, dass die zwei Freunde seinerzeit für drei Monate kein einziges Wort miteinander gesprochen hatten. Schnibbi hatte nach acht Jahren die Handelsakademie inklusive Matura endlich geschafft. Ausgehend von fünf Jahren, die diese Schulausbildung normalerweise dauert, also plus drei Jahre. Es war eine große Feier gewesen, als Schnibbi endlich die Schule beendet hatte. Jedoch eine im engeren Kreis der Familie. Denn seine Freunde konnten fast alle nicht dabei sein, weil diese bereits seit Jahren einer fixen Arbeit nachgingen. Anlässlich der Feier des Abschlusses erhielt Paul Krause von Frau Krause ein Auto geschenkt. Den besagten A3. Vermutlich war sie dermaßen froh, dass es ihr Paulchen doch noch geschafft hatte. Wie es aber Udos Art war, hatte er sich auch hier nicht seinen blöden Kommentar verkneifen können. So stachelte er schon damals: »Schön blöd. Du hast drei Jahre länger gebraucht und du kriegst einen A3. Hättest du sechs zusätzliche Jahre gebraucht, anstatt nur drei, dann würdest einen A6 fahren!«
Schnibbi fand das aber gar nicht lustig. Daher herrschte für kurze Zeit ›kalter Krieg‹ zwischen den beiden, deren Freundschaft sonst normalerweise nichts erschüttern konnte.
Nach dem Flitzer aus Ingolstadt kam dann der Franzose. Ein Peugeot mit ›Fetzendach‹. Ein Cabrio. Schließlich wollte Schnibbi Mädels klar- machen. Aber aus klarmachen wurde nichts – auch nicht mit Checker-Karre. Schnibbi war eben auch mit Cabrio immer noch Schnibbi. Das musste er leidgeprüft selber feststellen. Etwas anderes aber geschah. Mit der Zeit wurde die Angst um das Auto immer größer. Schließlich war so ein Cabrio recht empfindlich, so zumindest der Schluss von Schnibbi. Seine größte Angst wurde es, dass ein Neider das Dach beschädigen könnte. Dies führte dazu, dass Schnibbi Krause wieder mit dem Bus fuhr. Oder er ließ sich von seiner Mutter rumfahren. Sein Auto jedoch stand währenddessen zu Hause am Parkplatz in Sicherheit. Ein langes Jahr und nur zweihundert Kilometer später wurde der Schlitten dann gegen den Seat eingetauscht. Eingetauscht, ohne dass seine Rückbank jemals zu bestimmungswidrigen Ehren gekommen war. Eine Schande.
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