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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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detailliert.
    »Nachdem wir genau durchgegangen sind, was er gesagt hat, konzentrieren Sie sich jetzt auf seine Stimme«, bat Vang.
    »Seine Stimme?«
    »Wie hört sie sich an? Welche Assoziationen hat sie bei Ihnen geweckt?«
    Sie versuchte noch einmal, sich an das Telefonat zu erinnern. Als sie die Augen schloss und sich konzentrierte, hörte sie seine Stimme so lebensecht, als wäre er tatsächlich im Raum. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um einen Mann in den Dreißigern handelt. Plus minus fünf Jahre. Er hatte eine saubere, deutliche Aussprache. Kein Dialekt. Vermutlich hier aus der Gegend um Oslo. Aus dem Westen der Stadt, tippe ich, vielleicht Bærum.«
    Vang faltete die Hände und setzte sich etwas bequemer hin. »Was konnten Sie sonst noch aus seiner Stimme heraushören?«
    »Tief. Maskulin. Ein bisschen heiser. Aber gleichzeitig auch – etwas kindlich? Der Tonfall war irgendwie so. Nicht ganz echt. Seine Stimme hatte einen leicht beleidigten, verwöhnten Unterton. Ich hatte ihn mir die ganze Zeit als brutales Muskelpaket vorgestellt. Wie den Bösewicht aus einem Comic, wissen Sie. Jetzt zweifele ich daran, dass mein Fantasiebild stimmt. Er sieht nicht aus wie ein Mörder. Ich glaube, der ist äußerlich ganz normal.«
    Als sie zu der Frage nach den Symbolen kam, lächelte Vang nervös.
    »Wir hatten eigentlich nicht vor, damit an die Öffentlichkeit zu gehen«, sagte er unwillig.
    »Damit?«
    »Mit diesen Symbolen. Auf den Opfern. Auf Anitas Brust. Und auf Mariannes Handfläche.«
    »Was für Symbole?«
    »Hexagramme. Mit irgendetwas Dünnem, Scharfem in die Haut geritzt. Einer Nadel vielleicht oder einer Messerspitze.«
    »Wie sehen sie aus?«
    »Ein Kreis mit einem sechszackigen Stern darin. Zwei ineinander verschachtelte Dreiecke. Wie beim Davidstern.«
    Sie starrte vor sich hin. »Glauben Sie – dass die Morde einen politischen Hintergrund haben? Terrorismus? Irgendetwas mit dem Oslo-Abkommen?«
    »Wir haben darüber nachgedacht. Aber dabei geht es sicher nicht um Politik.«
    »Nicht?«
    »Sie haben doch seine Briefe gelesen. Die stecken voller Andeutungen auf die Bibel, die Astrologie und das Okkulte. Und das Hexagramm ist ein klassisches Symbol okkulter Kraft. Wird bei Zeremonien und ritueller Magie genutzt. Schon mal vom Siegel Salomos gehört? Wir glauben, dass er seine Opfer markiert hat.«

Der unsichtbare Mann
    Polizeidirektor Vang sah an die Decke und gähnte. Er hatte versucht, auf dem Sofa im Büro zu schlafen, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Rastlos war er wieder aufgestanden und hatte die Kaffeemaschine angestellt. Nach fünf Tassen Kaffee war er angespannt und nervös.
    Er ging mit der Kaffeetasse zum Fenster und schaute in die Dämmerung hinaus, über die Dächer hinweg, den morgendlichen Verkehr. Er dachte an Herdis und an Una, Anita und Marianne. Und er dachte mit einem Kopfschütteln an Kristin. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: ein Fernseh-Star, dessen Leben bedroht war. Wieder gingen seine Gedanken zu Herdis.
    Er stellte die Kaffeetasse auf den Schreibtisch, warf das Sakko über die Schulter und begab sich in den Kinosaal. Selbst so früh am Morgen herrschte dort reger Betrieb. Mit einem lang gezogenen Gähnen sah er sich in dem großen Raum um. Sie waren längst aus dem Kinosaal hinausgewachsen und hatten ein Sitzungszimmer nach dem anderen in Beschlag genommen. Aber der Kinosaal war nach wie vor das Nervenzentrum.
    Ein junger Polizist grüßte ihn. Vang nickte zurück.
    Der Druck begann, an den unerfahreneren Kollegen zu zehren. Jeder Tag, den Aquarius auf freiem Fuß verbrachte, war eine Niederlage. Vang konnte ihren Frust nachvollziehen. Über den unsichtbaren Wilden, der da draußen sein Unwesen trieb, während die Polizei machtlos zuschaute.
    Der Mangel an Ergebnissen machte den Stab ungeduldig und gereizt. Als Vang drei Ermittler aus der Bibelgruppe abzog, um die neu eingerichtete Gruppe zu verstärken, die die okkulte Spur verfolgen sollte, hatten die »Jünger« lautstark protestiert. Einer von ihnen hatte seinem Unmut bei der Zeitung VG Luft gemacht. Sie befürchteten, dass ihre ganze Arbeit umsonst gewesen war und ihre Theorien wertlos. Es gab noch mehrere Spuren, die sie verfolgen wollten, diverse Anhaltspunkte, die noch zu überprüfen waren, und deswegen kam ihnen die Reduzierung der Mannschaft äußerst ungerecht vor.
    Keine der Reaktionen überraschte Vang. Prioritäten zu setzen bedeutete, die einen zu enttäuschen und anderen einen

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