Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
Vom Netzwerk:
einen spitzen Schrei aus, ließ ihre Tasche fallen, diese sprang auf, und der Inhalt verteilte sich auf dem Gehweg.
    Der Passant eilte ihr entgegen, half ihr, die auf dem Boden liegenden Dinge einzusammeln. Bertha Beer bedankte sich überschwänglich. Vom Verfolger war nichts mehr zu sehen. Ihr Retter reichte ihr sogar sein Taschentuch, da ihres auf das regennasse Trottoir gefallen und somit nicht mehr zu gebrauchen war. Als er sich dann noch erbot, sie bis vor die Haustür zu begleiten, nahm sie dankbar an. An seiner Seite fühlte sie sich sicher.
    Vor der Haustür verabschiedete er sich von ihr. Das Tuch mit dem Monogramm » RB « behielt sie. Und noch etwas fiel ihr auf, der Mann trug zweifarbige Schuhe Budapester Art. Sehr elegant.
    Zu Hause angekommen, erzählte ihr Gustl, dass ein Herr da gewesen sei, sie nehme an, von der Polizei, aber ausgewiesen habe er sich nicht, und sie habe auch nicht weiter gefragt. Er habe nur alles wissen wollen, alles, was sie über die beiden Damen Ganslmeier zu erzählen habe. Am Anfang sei er ihr ganz freundlich erschienen, doch mit der Zeit und weil er gar nicht aufgehört habe zu fragen, sei er ihr dann sehr seltsam vorgekommen.
    »Du müsstest ihn eigentlich noch gesehen haben, der war noch keine fünf Minuten weg, ehe du gekommen bist.«
    Daraufhin erzählte Bertha ihre Geschichte von dem Unbekannten, der sie verfolgt hatte, und von dem Fremden mit den zweifarbigen Schuhen.
    »Seltsam, genau wie die Schuhe von dem Polizisten. Dann wird er das gewesen sein. Weißt, Bertha, das alles ist schon recht eigenartig. Denn warum er eigentlich gekommen ist, hat er mir nicht gesagt«, sagte die Gustl. Sie saßen noch eine ganze Weile stumm in der Küche, ehe sie ins Bett gingen.

Landshuter Zeitung

Lokales: Doppelraubmord
    Landshut, 4 . April 1922
    Zum Doppelraubmord wird zum gestrigen offiziellen Bericht Folgendes nachgetragen:
    Der mutmaßliche Täter Hubert Täuscher wurde gestern früh, Montag, 8  Uhr, zur Konfrontation in das Leichenhaus gebracht. Auf Vorhalt leugnete er, der Raubmörder zu sein. Hierauf fand die Sektion der beiden Leichen statt. Wie schon berichtet, war der alten Frau Ganslmeier ein Knebel in den Mund gesteckt worden. Sie fand den Erstickungstod, bei der Tochter Clara Ganslmeier wurden ein Stich in die Brust und gefährliche Halsverletzungen festgestellt.
    Täuscher und eine weitere männliche Person wurden von mehreren Zeugen unmittelbar nach der Tat zusammen gesehen. Bei dieser Person handelt es sich um Täuschers mutmaßlichen Komplizen, den geschiedenen 29 -jährigen Techniker Luck Schinder, derzeit ohne Anstellung. Es wird bezeugt, beide seien in Ergolding zusammen in den Zug nach München eingestiegen.
    Inzwischen wurden in München weitere Hausdurchsuchungen vorgenommen, und man fand in der Wohnung der Geliebten des vermutlichen Mittäters Ringe und andere Schmucksachen, die der Clara Ganslmeier geraubt wurden. Schinder und seine Geliebte wurden bereits in München festgenommen. Die Geliebte wurde jedoch nach kurzer Einvernahme wieder auf freien Fuß gesetzt. Schinder wurde heute in das hiesige Gefängnis überführt.

Montag, 10 . Juli 1922 ,
Volksgericht Landshut,
erster Verhandlungstag,
10  Uhr vormittags
    Um zehn Uhr werden die beiden Beschuldigten Täuscher und Schinder vom Gefängnis in den Saal des Gerichtsgebäudes überführt. Täuscher betritt den Raum als Erster. Er geht hinüber zur Anklagebank und nimmt Platz. Kurz verstummt jedes Geräusch. Alle Blicke sind auf ihn gerichtet. Er selbst ist blass, seine Bewegungen wirken steif und ungelenk. Die Anspannung und Nervosität ist ihm anzusehen, aber zur großen Enttäuschung der Zuschauer im Saal sieht er nicht wie ein Häuflein Elend aus. Schinder wird kurz danach ebenfalls hereingeführt. Er setzt sich zunächst auf die Anklagebank, steht jedoch gleich wieder auf und bespricht sich mit einem Beamten. Dann geht er hinüber zur zweiten Reihe, nimmt dort Platz und plaudert mit einem elegant gekleideten Besucher. Schinder verhält sich, als wäre er zufällig anwesend und hätte mit dem Treiben hier vor Gericht nicht das Geringste zu tun. Er ist entspannt, fast heiter. Bei ihm mehr noch als bei Täuscher haben weder die Haft noch der Druck der bevorstehenden Verhandlung sichtbare Spuren hinterlassen. Er lacht laut, tut alles, um Aufmerksamkeit auf sich und seinen Gesprächspartner zu lenken. Erst in allerletzter Minute bricht er sein Gespräch ab, wechselt wieder hinüber auf die

Weitere Kostenlose Bücher