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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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machen. Oder es zumindest nicht unversucht lassen.
    Sie stellte sich neben ein Bild, das Windspuren im Sand des Strandes zeigte, damit Ekke Nekkepenn sowohl sie als auch die Geschehnisse auf der Leinwand betrachten konnte.
    »Ich möchte gern meine Mutter besuchen. Weißt du, wo ich sie finden kann?«
    »Ach, die schöne Lore? Sieh mal einer an, plötzlich erfreut sie sich einer unerwarteten Beliebtheit. Nun. Seit einiger Zeit lebt sie außerhalb von Norddorf am Wattenmeer. Geh Richtung Osten über den alten Uferweg, dann kannst du das weiße Haus mit dem Reetdach nicht verfehlen. Dort hat sie sich verschanzt.«
    »Verschanzt?«
    Ob Sturm oder Sonnenschein, Nacht oder Tag – die schöne Lore war bei jeder Gelegenheit davongeschlichen, um sich zur Nordspitze der Insel zu stehlen und stundenlang auf das Meer hinauszustarren. Die fünfjährige Zarah verriegelte die Fenster, versteckte die Hausschlüssel, doch ihre Mutter fand immer ein Schlupfloch.
    »Ja, seit einem guten Dreivierteljahr ist sie kaum wiederzuerkennen. › Ich werde niemals aufhör’n dich zu lieben, glaub’ es mir. Ich finde wieder Lust an meinem Leben, neben dir. ‹« Ekke Nekkepenn dirigierte mit einer Hand. Das an den Fingern klebende Popcorn flog herum, einige Stückchen landeten im Whirlpool, um auf der Wasseroberfläche zu tanzen. »Das hat sie geträllert, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Ist schon eine Weile her.«
    Die Liebe der schönen Lore. Eine moderige Kälte nistete sich in Zarahs Knochen ein. »Du meinst doch nicht, Gaius sei zu ihr zurückgekehrt?«
    »Wer weiß, wer weiß. Als du zur Ausbildung weggegangen bist, hat sich dieser slawische Wassergeist um sie gekümmert. Der Wodjanoi. All die Jahre. Aber dann hat sie ihn davongejagt, um ihr Liedchen zu trällern.«
    Der Wodjanoi. Plötzlich glaubte Zarah, den Schlick an ihrer Hand zu riechen, mit der sie mit ihm den Pakt geschlossen hatte. Ein Baby, sie schuldete ihm noch ein Baby. »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    Ekke Nekkepenn streifte mit dem Handrücken seine Unterlippe und blubberte: »Drei Wochen ist es bestimmt schon her.«
    »Ist Gaius auf der Insel?«
    »Ach Mädel, ich gönne meinen Mädchen doch ihre Privatsphäre. Die schöne Lore wollte unsere Gesellschaft nicht mehr, und wir haben es akzeptiert. Aber es gab bereits seit längerer Zeit keine dieser Orakelmeldungen mehr, die sie für ihren Blog gewöhnlich im Watt hinterlassen hat. Das macht die Aktualisierungen recht schwierig. Wir verlieren die Besucher. Sag ihr das bitte, wenn du sie siehst.« Er wandte sich wieder der Leinwand zu. »Ach ja, Die Sturmflut . Wie war ich damals jung …«
    »Ich danke dir für die Auskunft.«
    Aber er brabbelte schon längst etwas von den alten Zeiten, als die Magie nur selten einen Weg durch die Membran in die Menschenwelt fand, dafür aber umso mehr Schrecken auslöste.
    Draußen musste Zarah sich auf eine Bank setzen. Gallagher nahm neben ihr Platz, ließ ihr jedoch genug Raum für Gedanken und genug Luft für ihr Gestammel. »Was macht Gaius hier? Was macht er bei meiner Mutter? Nach all den Jahren. Er war nie jemand, der sich binden würde. Jetzt schon gar nicht.«
    »Vielleicht gerade jetzt. Er muss ziemlich alt sein. Wenn sein Zwillingsbruder …«
    »Sein menschlicher Zwilling ist schon lange tot. Gaius ist einer der wenigen, der nach dem Schwinden seiner magischen Kräfte seine führende Position in der Nachtwelt nicht verloren, sondern sie sogar ausgebaut hat. Er ist klug, kann andere geschickt manipulieren und hat genügend in der Hand, um den halben Dämonenrat zu stürzen. Glaub mir, er braucht kein Seniorenasyl bei einer ehemaligen Lebensgefährtin.«
    »Bist du dir sicher, dass er es ist, der bei deiner Mutter wohnt? Vielleicht hat sie einen Neuen gefunden.«
    » Ich werde niemals aufhör’n dich zu lieben. Es kann nur Gaius sein. Die Erinnerungen an ihn waren für meine Mutter ein Anker in diesem Leben, als sie den Verstand verloren hat.«
    »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Das habe ich niemandem erzählt.«
    »Willst du es jetzt tun?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Es sollte kurz nach der Geburt passiert sein, noch im Wochenbett. Die schöne Lore sang nicht mehr, sondern erzählte von ihren Visionen, die das nächste Ende der Welt offenbarten. Beunruhigendes, seltsames Zeug über die falsche Gegenwart und eine Zukunft, die ganz anders aussehen würde. Gaius, der während der Schwangerschaft und der Geburt anderswo geweilt hatte, kehrte auf die Insel

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