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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Tochter für sich haben, und mein Partner … verkaufte Tara an ihn für ein paar Privilegien. Mir ist es gelungen, zusammen mit ihr zu fliehen, und nun bin ich hier. Und sie – in der Toten Stadt. Aber in ein paar Stunden ist ihr achtzehnter Geburtstag. Was soll wohl danach geschehen? Die Tote Stadt bekommt ihr schon jetzt nicht, nach Erreichung der Volljährigkeit kann es nur schlimmer werden. Aber du bist nicht hier, um über mich zu reden«, sagte die Perchta und schwenkte die Axt. »Komm mit. Da wartet jemand, der dich sprechen möchte.«
    Sie durchquerten das Haus und traten durch die Hintertür wieder ins Freie. Zarah blieb stehen. Unter einem Baum, der seine Zweige zum Teich der Seelen neigte, schwebte eine gold-silbern leuchtende Gestalt. Die Züge wirkten verschwommen im grellen Schein, zu glatt, jeden Makels beraubt, doch sie erkannte die Erscheinung sofort.
    »Ash!«

»Reue ist Verstand, der zu spät kommt.«
    Ernst Freiherr von Feuchtersleben, österr. Popularphilosoph, Lyriker und Essayist
    Ich würde keine andere Gelegenheit dazu bekommen, ich musste es hier und jetzt tun. Mit dem ältesten Trick der Welt – Pinkeln gehen. Er eskortierte mich zu einer Toilette. Wie edel, dass er mir ein richtiges Klo für meine Notdurft gewährte. Als er jedoch das schmale Fenster prüfte, mich schließlich in den Raum schob, die Tür schloss und sich dagegenlehnte, wusste ich, dass nichts an ihm edel war. Von hier konnte ich nicht entkommen. Dachte er.
    Ohne eine magisch sensible Zunge konnte ich nicht mit der Magie sprechen, dabei wäre es so einfach gewesen, ihr zu sagen, was ich möchte. Stattdessen musste ich wie jeder andere ihre Aufmerksamkeit wecken, ihr meinen Wunsch irgendwie begreiflich machen und hoffen, dass sie so gnädig gestimmt war, mir ihn zu erfüllen. Ich setzte mich auf den Klodeckel, der unter meinem Gewicht leicht zur Seite rutschte, und hob meine Hände zum Luftklavier. Lass es funktionieren! , sagte ich – zu mir selbst, denn in meinem Leben gab es nichts und niemanden mehr. Jedes Wesen würde sich abwenden von mir, einem Monstrum, das Menschenorgane fraß, um die Magie an sich zu binden. Lass es funktionieren!
    Es musste Zerstörung sein. Es musste Krieg sein. Ohne jede Hoffnung, Rettung oder Gnade.
    Es war Stalingrad geworden. Allegro non troppo, der dritte Satz Schostakowitschs achter Symphonie. Ich keuchte, während meine Finger sich immer schneller bewegten. Ich hörte die Sirenen heulen und die Bomben niedersausen, mein Herz schlug sich wund an der Angst und dem Tod unzähliger Menschen. Ich atmete die Luft, und sie schmeckte nach Asche.
    »He, was treibst du da?« Mein Kerkermeister rüttelte an der Klinke, doch in dem kleinen Raum war es zu voll – von der unhörbaren Musik, von mir, von der Magie. Meine Hände krampften, getaucht in eine längst vergangene Zeit, die sie heraufbeschworen. Ich musste durchhalten. Noch ein bisschen, noch ein bisschen mehr … Die Magie wirbelte um mich herum, berauscht von den Bildern, die ich ihr schickte. Der Boden erzitterte. Der Putz rieselte auf mich herunter, über die Decke und Wände schossen feine Risse. Die Schreie der Vergangenheit drangen in meine Gegenwart ein. Noch nie war mein Zauber so mächtig. Und ich so schwach.
    »Hör sofort auf damit, verstanden?« Jetzt trommelte er gegen die Tür, mit beiden Fäusten. Ich röchelte inmitten des Grauens, das ich auferstehen ließ. Eine Bombe, nur eine Bombe auf dieses verdammte Haus. Die fremden Schmerzen drohten mich zu zerreißen. Meine Arme sanken immer weiter herunter.
    Lass es funktionieren!
    Es krachte, und das ganze Haus wirbelte um mich herum. Balken, Steine, Glas – ich schloss die Augen, wartete, bis etwas davon mich treffen würde, denn es war unmöglich, aus diesem Chaos unverletzt herauszukommen.
    Als es wieder still wurde, wagte ich es, die Lider zu öffnen. Ich saß immer noch auf dem Klo. Und um mich herum – Berge von Trümmern. Irgendwo unter dem Schutt lag mein Kerkermeister.
    Er ist nicht tot , flüsterten die Stimmen in meinem Schädel. Das wird ihn nicht lange aufhalten.
    Ich rutschte vom Klodeckel, stand da, und mein Kopf war leer.
    Lauf, du wirst es schaffen. Lauf!
    Ich lief. Ich war schon so lange nicht gelaufen, dass jeder Schritt einer Neugeburt glich. Ich lief durch das Schlachtfeld, das ich hatte lebendig werden lassen, stolperte über die Leichen vieler Menschen, die für mich noch einmal hatten sterben müssen, stampfte durch den hohen Schnee. Der Zauber

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