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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Drachen, den sie dort gesichtet hatten, als Zwiegestalt.
    »Lessa – Wasser!« Ihre Stimme war kaum lauter als ein Gedanke, doch das Mädchen begriff sofort.
    Wasser verletzt das Feuer.
    Alessa schwenkte die geöffnete Trinkflasche in seine Richtung, doch er duckte sich zur Seite, sodass nur ein paar Tropfen auf seine Wange fielen und zischend verdampften. Zarah drückte auf den Abzug. Die Pistole klemmte.
    »Nun.« Daimon richtete sich auf, wirkte größer und bedrohlicher als je zuvor. »Dann also auf die harte Tour. Darf ich euch den Sternensaal zeigen? Du, Zarah, wirst deiner Zwillingsschwester doch sicherlich Hallo sagen wollen.«
    Er kannte ihren Namen.
    Er kannte ihre Schwester.
    Enya war … hier?

3 1
    Alles schien so irreal. Wie damals, als der Vampirspeichel ihr Blut vergiftete.
    »Sie ist die Auserwählte«, sagte er. »Die magischen Schwingungen um sie herum sind enorm. Wenn der Vollmond im Zenit steht, erreicht sie den Höhepunkt ihrer Kraft. Allein ihr Körper hält sie noch davon ab, sich über die Welt zu erheben.«
    Der Arm mit der Pistole hängt schlaff herunter. Die Finger halten das Gewicht der Waffe nicht mehr aus, und sie entgleitet ihnen. Ihre Beine tragen sie vorwärts, jeder Schritt wie durch Sand, Amrumsand, in dem sie immer mehr versinkt. Der Sternensaal ist von einem sanften, dunkelblauen Licht erfüllt, das ihn düster und verlockend zugleich zeichnet. Die Gänge laufen auf den Sternenprojektor zu, der wie ein kahlköpfiges, mehräugiges Monster in der Mitte hockt. Hinter ihm ragt eine Bühne einer blankpolierten Zunge gleich in den Saal, auf der regungslos ein Menschenkörper liegt.
    Eine junge Frau.
    Ein Mädchen.
    Zarah rannte zu der Bühne, packte ihre Schwester an den Schultern, hob sie an. Der schlaffe Körper zog sie mit sich nach unten, wollte ihren fühllosen Armen entgleiten. Über ihrem Kopf prangte an der Kuppel der nächtliche Himmel. So nah, so greifbar, dass man eine Handvoll Sterne hätte nehmen und den Schein des Mondes in sich hätte aufsaugen können.
    »Enya, wach auf, bitte wach auf. Ich bin bei dir, ich werde dich hier rausholen. Wach auf.« Dieser Körper – so zierlich, so zerbrechlich. Sie tat ihr fürchterlich weh, ganz bestimmt, wie konnte sie nur so grob mit ihrer Enya umgehen? »Bitte verzeih mir.« Sie drückte den Mund auf den Scheitel, küsste das Haar, obwohl es ranzig roch und nicht mehr an ein flauschiges Küken erinnerte. Sie schloss die Augen und fühlte ihre Enya irgendwo da drin, in diesem schweren, welken Leib. »Verzeih mir alles.«
    »Sie lebt.«
    Daimon.
    Noch hatte er sie nicht umgebracht.
    Zarah sammelte all ihre Kraft, um ihre Lider zu öffnen und zu kämpfen.
    Der kleine Drache machte Männchen vor ihr und wischte mit dem glühenden Schwanz hin und her über eine Rune. Dagaz – die Kraft des Lichts, der stärkste Schutz vor bösen Zaubern. Ein Stück daneben: Algiz – Lebenskraft und Schutz vor dunklen Mächten.
    Schutz. Überall Schutz.
    Sie löste ihre Lippen von Enyas Haar und schaute zu Daimon auf, der mit schräg geneigtem Kopf auf sie herabblickte.
    »Und? Bist du jetzt endlich bereit zu einem Small Talk?«
    Sie glaubte, genickt zu haben.
    »Daimon!« Der Ausruf vom anderen Ende des Saals ließ ihn herumfahren. »Lass die Mädchen gehen. Ich schätze, das hier ist eine Sache zwischen dir und mir.«
    Zarah umarmte Enya fester. Gallagher … Alles in ihr zog sich schmerzhaft zusammen. Sah er sie an? Und wenn ja, sah er eine Verräterin, eine Seelenlose, die seine Leute an das Ordnungsamt ausgeliefert hatte?
    Was denn sonst!
    So naiv konnte sie unmöglich sein, zu hoffen, dass er noch irgendetwas für sie empfand, außer Zorn und Verachtung.
    Daimons Fingerspitzen begannen zu glühen. »Na sieh mal einer an. Intensivtönung Schwarz mit Diamantglanz, nehme ich an.«
    »Lass die Mädchen gehen.« Gallagher zielte mit einem Maschinengewehr auf den jungen Mann und kam immer näher, bis er zwischen Alessa, die in der Mitte eines Ganges verharrte, und Daimon stand.
    »Gallagher, warte!« Zarahs Stimme bebte. Sie wollte es ihm sagen, sie musste es. »Gallagher …«
    Der rote Punkt der Zielvorrichtung, der zuvor unbeirrt die Mitte von Daimons Stirn markierte, zitterte leicht.
    »Gallagher …«
    »Was deine kleine Freundin sagen will: Ich bin nicht dein Feind.«
    »So? Will sie das?«
    »Er ist es wirklich nicht.« Sie war hier, um das Ende der Welt zu verhindern, wenn sie schon das ihre nicht mehr aufhalten konnte. »Schau hier –

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