Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
du es nicht mehr? Als wir auf der Flucht waren, hast du gesagt, dass du hier landest, wenn du einmal nicht mehr weiterweißt. Ich habe einfach mein Glück versucht, bin schon Dutzend Mal durch den ganzen Bahnhof hin- und hergelaufen.«
Zarah richtete sich auf. »Ziemlich viel Aufwand, um eine Verräterin niederzustechen, die eh keinem mehr schaden kann.«
»Ich bin hier, weil ich deine Hilfe brauche.«
Sie hätte aufgelacht, aber dieser Ort saugte jedes Lachen auf, noch bevor sie es hervorbringen konnte. »Hör zu, vielleicht hast du es wirklich nicht mitbekommen, aber ich war tatsächlich Abbas’ Spitzel. Er hat Enya in seiner Gewalt, ich musste tun, was er von mir verlangte. Unsere Flucht – das alles war inszeniert. Es tut mir ganz ehrlich leid, ich wünschte, es wäre anders gekommen. Pass auf. Sag Gallagher, dass ihr noch einen Spitzel habt, der für das Ordnungsamt anscheinend um einiges wichtiger ist als ich. Mit dem Auffliegen meiner Tarnung konnte der andere Verräter seine Position stärken, sich noch mehr Vertrauen erschleichen. Ihr müsst ihn finden. Ich tippe auf Giulia, habe jedoch keine Beweise. Alessa, hörst du mir zu? Du musst das Gallagher sagen. Versprich es mir!« Beinahe hätte sie das Mädchen geschüttelt.
»Gallagher, ja. Deshalb bin ich hier. Du wirst doch nicht zulassen, dass ihm etwas Schlimmes widerfährt, oder?«
Sie hielt inne. »Was ist passiert? Hat Giulia es geschafft, die Macht an sich zu reißen?«
Alessa legte etwas Schweres, Kaltes in Zarahs Hand. Es war ein gleichförmiger Kristall mit einem eingeschlossenen Insekt in der Mitte.
Zarah betrachtete es genauer. Nein, es war kein Insekt.
»Friedbert!«
»Das wurde bei der Perchta abgegeben, zusammen mit einer Notiz für Gallagher. Er hat mir gesagt, ich soll auf den Kristall aufpassen, und ist sofort weggegangen.«
»Was stand in der Notiz?«
Alessa reichte ihr einen Zettel. »Den habe ich meinem Bruder aus der Tasche geklaut, er hat nichts gemerkt.«
Komm ins Planetarium, wenn der Vollmond im Zenit steht, und du kannst deinen Freund retten.
»Es ist eine Falle, oder?« Jetzt zitterte nicht nur Alessas Stimme, sondern ihr ganzer Körper.
»Sieht ganz danach aus.«
»Du musst dich doch mit Zauberei auskennen. Weißt du, wie man die Fee aus dem Kristall befreien kann? Ich meine, wenn wir das schaffen, muss Gallagher nicht hin. Und es wird alles gut.«
»Es ist ein sehr altes Ritual, mit dem man eine Fee bannen kann. Es besteht aus zwei Teilen. Dem Kristall, in dem die Fee gefangen gehalten wird und drei Zweigen mit dem Namen der Fee, die irgendwo vergraben liegen. Erst wenn man die Zweige vernichtet, wird der Bann gebrochen.«
»Es muss doch auch einen anderen Weg geben!«
»Keine Chance, wenn wir nicht wissen, wo die Zweige sind. Versucht man, den Kristall zu zerstören, tötet man die Fee darin.«
»Ich verstehe nicht, wer so etwas tut. Das Ordnungsamt? Wollen sie Gallagher in ihre Gewalt bringen?«
»Nein.« Sie wog den Kristall in der Hand. »Das hier ist viel zu persönlich.«
Zwillingsbrüder.
Sterne, Mond, Vollmond.
»Natürlich!« Sie legte den Kristall auf den Boden, schlug das Buch auf und zeigte Alessa die mit der Kohle geschwärzte Seite. »Es ist Daimon.«
»Das verstehe ich nicht.«
Zarah las ihr die Texte vor. »Begreifst du es jetzt? Deine Mutter hat in Trance die Zukunft mit ihrem magiesensiblen Herzen im Voraus gespürt. Sie wusste, dass Daimon das Ende der Welt heraufbeschwören wird, und wollte ihn davon abhalten. Lies dir ihren Brief genau durch. Sie nennt oft seinen Namen, sie erinnert ihn an das gemeinsame Spiel aus seiner Kindheit, sie betont, seine Mutter zu sein – alles Versuche, die persönliche Bindung aufleben zu lassen, damit er auf sie hört. Doch höchstwahrscheinlich hat sie ihn gerade damit erst auf den Gedanken gebracht. Indem sie versucht hat, die Zukunft zu verändern, hat sie die Dinge in Gang gesetzt. Daimon erschafft aus sich einen Auserwählten, indem er die magiesensiblen Organe sammelt und diese in sich aufnimmt. Sterne, Mond, Vollmond – das letzte, alles entscheidende Ritual wird im Planetarium abgehalten, wenn der Vollmond im Zenit steht und die Magie am stärksten anzieht. Deine Mutter erwähnt auch Zwillingsbrüder – Daimon und Gallagher. Ich verstehe bloß nicht, was es mit dem Wasser, Feuer und Engelslicht auf sich hat.«
»Alles schön und gut, aber wofür braucht er meinen Bruder?«
»Für die Rache.«
»Welche Rache?« Mit gesenktem Blick strich
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