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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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wirken sie wie lebendig und schwimmen munter im Kreise herum. Ich betrachte das Aquarium ganz aus der Nähe. Seit Jahren stehen die Fische still, immer genau in der gleichen Position, vollkommen tot und bewegungslos, die Batterien sind alle. Als ich ganz nah vor dem Becken bin, bemerke ich, dass sich die Kiemen des einen Fisches fast unmerklich heben. Bei den anderen Fischen tut sich nichts. Ich schaue wieder auf den einen Fisch. Sein kleines Auge bewegt sich. Es blickt in den Raum und dann immer wieder auf mich. Minutenlang. Ich fange an zu schwitzen, gehe rückwärts, gehe ins Wohnzimmer und setze mich. Schließlich verlasse ich die Wohnung, die äußere Welt soll mich wieder ins rechte Licht setzen.

Ausflug ins Glück
     
    S amstagmittag ruft Neunzehn Löcher Joe mich an.
    »Hallo, Sonntag, hier Neunzehn. Wie geht’s dir, Alter, lange nicht mehr gesehen. Immer noch erfolgreich im Küchentischmarathon unterwegs?«
    »Hi, Neunzehn. Jaja, mir geht’s ganz gut, hab alles, was ich brauche, hier zu Hause.«
    »Hättest du nicht Lust, heut Abend ’nen Ausflug mit mir und Eva zu machen? Hühner kommt wohl auch mit. Wir fahren nach Travemünde, ins Casino.«
    »Ich bin total abgebrannt, was soll ich im Casino?«
    »Na, Geld verdienen natürlich. Dafür sind Casinos doch da.«
    »Dafür brauch man aber erst mal ’nen Einsatz.«
    »Leih ich dir. Ich leih dir ’nen Fuffi, und wenn du gewinnst, krieg ich die Hälfte deines Gewinns ab, okay?«
    »Is gut, ich bin dabei, aber wenn ich verliere, dauert es länger, bis du dein Geld zurück hast …«
    Am Abend treffen wir uns vor dem Olympischen Feuer. Neunzehn Löcher Joe ist schon da, Eva ebenfalls, ich begrüße sie mit ’nem Kuss und ihn mit Kopfnicken. Eva hat sich ihre blonden Haare hochgesteckt und trägt ein altes Abendkleid, das ihr ’ne Nummer zu groß ist. Obwohl sie Mitte dreißig ist, sieht sie aus wie ein Mädchen, das die Kleider der Mutter ausprobiert. Neunzehn hat ’nen respektablen Smoking zu einer schwarzen Cordhose an. Seine dunklen Haare sind pomadisiert. Ich sehe kein einziges Loch in seiner Kleidung und muss mich wundern. Ich trage meinen beigefarbenen Sechzigeranzug. Ein paar Minuten später stößt Hühner dazu, er hat gar nicht erst den Versuch unternommen, sich eine Abendgarderobe zu besorgen, sondern trägt eine wahllose Kombination aus Stonewashed Jeans und Hard-Rock-Cafe-Sweatshirt. Seine Haut glänzt schweißnass, was mit dem relativ hohen Energielevel zu tun hat, auf dem er stets unterwegs ist. Die dünnen Haare fliegen wie feuchte Daunen bei einem Wesen aus der Muppet Show um seinen Kopf. Er schleppt eine Tüte voller Bier mit sich rum. Wir besteigen Neunzehns R4 und lassen uns von Hühner Dosen in die Hand drücken. Noch bevor der Wagen angelassen wird, tritt Hühner mit einer Idee an uns heran: »Leute, wie wäre es, wenn wir alle ’nen Trip schlucken würden, bevor wir ins Casino gehen? Ich hab ’n paar Papers dabei, schon getestet, absolut cooles Zeug, ganz milde und wirklich lustig.«
    Es gibt eine vergleichsweise starke Anfangsskepsis in der Runde, die Hühner allerdings nicht akzeptiert. Nach ein paar Minuten haben alle eine wenige Quadratmillimeter große Löschpapierecke auf der Handfläche liegen, die mit einem kryptischen kleinen Symbol bedruckt ist. Niemand widersetzt sich mehr, und alle spülen ihr Piece mit etwas Bier herunter. Dann startet Neunzehn Löcher Joe den Renault, und wir begeben uns auf die Reise. Auf eine zweifache Reise. In Travemünde gibt’s beim Portier Ärger wegen Hühners Outfit, er muss sich ein Smokinghemd und ’ne Fliege für fünfzehn Euro ausleihen, was er als Respektlosigkeit gegenüber seinem natürlichen und individuellen Kleidungsstil empfindet. Der Portier gibt ihm zu verstehen, dass in diesem Hause niemand an seiner persönlichen Einstellung zu Individualität und Freiheit interessiert sei. Vielleicht eher im Hard Rock Cafe.
    Die Trips haben immer noch nicht angefangen zu wirken. Wir lösen ein paar Jetons ein und gruppieren uns um einen Roulettetisch. Einer nach dem anderen setzt. Wir verlieren kollektiv. Geld und Bewusstsein. Ich bemerke die schwummrige Ausstrahlung, die von den anderen ausgeht, ein leichter Film, der um sie herumschwebt. Ich setze vorsichtig, um meine fünfzig Euro nicht gleich zu verspielen, aber weder ich noch die anderen haben Glück im Spiel. Eva beginnt sich hinter vorgehaltener Hand über den Croupier lustig zu machen und nennt ihn »kleinen, grünen Vogel«. Der

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