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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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gemacht. Ich vermisse dich.«
    »Du weißt, dass es nicht anders geht, Nora, wir können uns nicht öfter sehen.«
    Ich gieße mir ebenfalls ein Glas Sekt ein und setze mich vor sie auf die Tischkante. Ich beobachte ihr Gesicht, sie ist nicht mehr ganz jung, vielleicht Mitte dreißig, sie hat ein hartes, schönes Gesicht, und auf ihren Wangen wächst ein sehr feiner, goldener Haarflaum. Sie steht auf und umarmt mich, drückt mich an sich, ich meine, ihr Herz schlagen zu spüren. Ich lege meine Arme um ihren Nacken und rieche ihr Parfüm.
    »Und was hast du die Woche über gemacht?«
    »Ich hab ’nen neuen Job, ich arbeite jetzt im Museum als Wärter, das ist ’ne interessante Sache.«
    »Echt? Wahnsinn. Das stell ich mir anstrengend vor. Aber du bist bestimmt der Richtige. Du kennst dich doch mit Kunst so gut aus. Du wirst bestimmt Karriere machen, im Museum, und ganz steil aufsteigen, und wenn du ganz oben bist, wirst du mich vergessen haben. Stimmt doch, oder?«
    »Niemals werde ich dich vergessen.«
    »Willst du mich nicht doch heiraten?«
    »Nora, ich will nicht heiraten, ich bin nicht dafür gemacht. Aber ich werde dich nie fallen lassen.«
    Sie legt den Kopf schief, so als hätte sie mich beim Lügen erwischt, greift mit der linken Hand an meinen Hosenbund, öffnet den obersten Knopf, den Reißverschluss, lässt meine Hose herunterrutschen und die Unterhose ebenfalls, steckt den Zeigefinger der rechten Hand in einen Topf mit flüssigem Honig, der auf dem Tisch steht, und legt ihn mir in den Mund, schiebt mich dann langsam rückwärts durch die Wohnung, durch den Flur, in mein Schlafzimmer. Sie berührt meine Erektion, ich erschauere. Bevor ich auf das Bett sinke, hat sie mir ein Präservativ übergezogen, hebt ihr Kleid, unter dem sie nichts trägt, klemmt es in den Gürtel, sodass ich ihre Scham sehen kann, und setzt sich langsam, aber entschlossen auf mich. Ich bin so überwältigt von ihrer Sicherheit, ihrer Unbeirrbarkeit, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als mich vollkommen hinzugeben. Sie nimmt mich mit kreisenden Bewegungen und stößt dazu flüsternd Worte aus, die ich nicht verstehe. Dann legt sie mir eine Hand an den Hals und drückt leicht zu.
    »Sag, dass du mich heiraten willst«, flüstert sie. Ich sage nichts, ich stöhne nur. »Sag, dass du mich heiraten willst. Sag es. Los, sag es. Sag, dass du mich heiraten willst!«
    Immer wieder spricht sie den Satz, lauter werdend, und schaut mich dabei lächelnd an, während sie mich nimmt. Ich stöhne enthemmter, eine rasende Welle nähert sich meinen Lenden, je stärker sie mir den Hals zudrückt, und während der Tsunami durch mich hindurchrollt, schreie ich:
    »Ich will! Ich will!«
    Ich sehe sie über mir glühen im rot-gelben Licht des Seidenpapiers, stark und selbstbewusst, immer noch lächelnd.
    »Siehst du, du willst doch …«, sagt sie. Dann steigt sie langsam von mir herunter, lässt ihr Kleid fallen, geht zur Kommode neben dem Bett und nimmt sich den Hunderter, den ich für sie dorthin gelegt habe. Sie wirft mir eine Kusshand zu und geht aus der Tür.
    »Wir sehen uns auf unserer Hochzeit!«, höre ich sie noch sagen, dann schließt sich die Tür.
    Körperlich befriedigt, erstaunt über die Inszenierung und emotional leer bleibe ich liegen und muss ein wenig lachen. Ich wünschte, sie wäre länger bei mir geblieben. Ich hätte gern ein wenig über sie erfahren, aber sie erzählt mir fast nie von sich. Ganz am Anfang, als wir uns kennengelernt haben, in einer Kneipe auf dem Kiez, war sie offener. Da wusste ich auch nicht, dass sie aus dem Metier ist. Wir haben die ganze Nacht geredet und getrunken und uns dann getrennt. Vielleicht hat sie zu diesem Zeitpunkt tatsächlich einen Partner gesucht? Bei unserem nächsten Treffen schlug sie mir vor, mit mir zu schlafen, aber gegen Geld. Ich fand die Idee irgendwie lustig. Ich dachte, wir würden Prostitution spielen, um den Kick zu erhöhen. Von dem Moment an wurde es unpersönlich. Sie hatte mich eingefangen und war sich meiner sicher. Und ich genoss die Unverbindlichkeit der Situation.
    Ich gehe in die Küche und setze mich an den Tisch, schaue auf das offene Honigglas. Die Leere in mir verwandelt sich in Traurigkeit. Der Honig glimmt wie durchsichtige Lava im Licht der farbigen Fenster. Ich stehe auf und trete an das Küchenregal. Dort steht ein kleines Plastikaquarium, mit dem die Kinder früher gespielt haben, in ihm schweben stumm drei Plastikfische. Wenn man das Aquarium anschaltet,

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