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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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derjenigen, die unseren Karren raus aus dem Dreck und auf eine weite, gut überblickbare, betonierte Fläche fahren wollen, das Flugfeld in eine saubere Zukunft. Willkommen auf dem Flug nach Tristania.
    Die reine Vernunft im Kampf gegen das schmutzige Heilige. Das Kernfett der Verbindung zwischen den Menschen, in verborgenen Zellen unter Abschluss des Lichts, unter Zuhilfenahme fragwürdiger und dem gesunden Leben nicht zuträglicher Substanzen entsteht dadurch, dass man die eigene Existenz aufs Spiel setzt und somit die Alltäglichkeit auflöst, eine Vertiefung, eine Maximierung des Seins. Das werden die Wassertrinker nie begreifen, denn sie waren nie fahnenflüchtig, sie waren immer schon vernünftige Soldaten des Alltags.
    Die Wut in mir hat sich derart gesteigert, dass mir der Hunger vergangen ist. Ich rühre das Bier nicht an, lege das Geld neben das Glas und verlasse das Restaurant. Vor der Tür steht der Wirt und raucht eine Zigarette. Er muss den eigenen Laden verlassen.
    »Lillo, das ist ja schrecklich, selbst du musst draußen stehen?«
    »Si, ja, das isse vollkommen lässerlis. Die ganze Belegschaft rennt ständig raus zum Rauchen. Und die teure Raucherraum habe wir sinnlos eingebaut. Das iss alles Swachsinn, das isse Spießerwillkür, so sag ich.«
    »Ja, da hast du wohl recht, das ist es.«
    »Ja, das könne die von mir aus in ihre Reichenviertel machen, aber doch nicht in Sankt Pauli. In welse Welt lebe die eigentlis?«
    »Sie glauben, sie wüssten es besser als wir. Und sie werden immer weitermachen. Am liebsten würden sie die Prohibition einführen.«
    »Die was?«
    »Ach egal, wo ist denn hier der nächste Kebabstand?«
    »Siehst du – und die Kunden rennen mir auch noch weg …«
    »Tut mir leid, Lillo, aber ich mag die Luft da drinnen nicht. Es riecht so nach Menschen.«
    »Ciao, aber komm bald wieder, ich stell Tische raus.«
    »Mein Wort drauf.«
    Ich gehe zum nächsten Kebabstand, hole mir ’nen Döner und zwei Dosenbier, setze mich auf einen Elektrokasten und nehme mein Abendmahl mit anschließender Zigarette. Wahrscheinlich wird das Rauchen auf Elektrokästen auch bald verboten. Denn man könnte davon krank werden. Und weil das den Wettbewerb verzerrt. Weil wenn man auf Elektrokästen rauchen darf, wieso dann nicht in Restaurants? Dadurch geraten Elektrokästen in einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil gegenüber der Gastronomie. Ich vermute, dass man bald nur noch auf Elektrokästen rauchen darf, auf denen nicht gegessen werden darf. Und auf denen gleichzeitig keine Kinder sitzen.
    Wäre es nicht für alle Völker der Erde viel einfacher, wenn sie uns Unnützen ein Land zur Verfügung stellen würden, in das sie uns abschieben könnten? Ein mittelgroßes Land, vielleicht irgendwo in Kanada, in das sie all die Raucher und Trinker und Drogies und Dropouts und Anarchisten und Sexualisten und Unnützen jeder Couleur verbannen könnten? Eine Art Irrenreservat, eine Riesenklapse, in der wir endlich unsere Ruhe hätten vor der versammelten Ordnungsherrlichkeit der ehrenwerten Gesellschaft der Normalen.

Leben unter Wasser
     
    E s regnet seit Tagen. Dicht und konzentriert fällt das Wasser vom Himmel hernieder. In Strömen, in dichten Tränenstrahlen ergießt sich Gott jammernd und plärrend auf die Erde, getrieben von unendlicher Reue darüber, was er uns Lebenden durch das Leben angetan hat – und sich Göttlichem durch uns Irdische. Ich sitze hinter dem Wohnzimmerfenster und warte auf eine Pause, einen kurzen Moment des himmlischen Luftholens, in dem ich hinauslaufen könnte, um mir Verpflegung zu besorgen. Und vielleicht ein Tier, das mir unter Wasser Gesellschaft leisten würde. Wie wäre es, wenn ich mir einen Fisch kaufte und ihn bei mir im Wohnzimmer freiließe? Ist es schon feucht genug? Meine letzten Essensvorräte sind aufgebraucht, ich lebe fast nur noch von Wasser, das reichlich und endlos aus dem Hahn hervorsprudelt.
    Am Nachmittag des dritten Tages der Sintflut klopft es an meiner Wohnungstür. Die Klingel scheint ausgefallen zu sein. Ich nähere mich der Tür und linse durch den Spion. Zuerst sehe ich fast nichts, dann erscheinen ein tanzender Flaschenhals und ein paar Gläser, die vor dem Okular hin und her schwanken. Wer zum Teufel kann das sein? Ich öffne die Tür einen Spaltbreit und entdecke zu meinem Erstaunen meinen Feind, Bob, in der Hocke, mit einer Flasche in der einen und zwei Gläsern in der anderen Hand. Er grinst mich unverhohlen an und steht langsam

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