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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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Richtung Pinkasstraße gegangen und hatte sich an die Bushaltestelle gestellt, so hatte es ihm Meschulam befohlen. Er hatte sich nach allen Seiten umgesehen. Keiner in Sicht. Er hatte aufgeatmet. Womöglich hatte seine Angst für Hirngespinste gesorgt.
    * * *
    »Hören Sie mir zu?«, fragte ihn der Rechtsanwalt nun energischer. »Was ich sagen will, ist: Möglicherweise will die Staatsanwaltschaft mit mir reden, weil sich in dem Fall größere Probleme ergeben haben. Dann kämen wir wieder in Ballbesitz.«
    Über die Geschehnisse in jener Nacht durfte er kein Sterbenswörtchen verlieren, so viel war ihm klar. Was er getan hatte, war keine geringere Straftat als eine Vergewaltigung. Doch nicht allein das. Faro und die Organisation würden ihm nie verzeihen. Für sein Schweigen hatte er bereits einen hohen Preis gezahlt, und das Schlimmste stand ihm zweifellos erst noch bevor. Eli Nachum hegte in erster Linie gegen ihn Verdacht, da er ihm nicht eröffnet hatte, was er in jener Nacht in der Straße zu suchen gehabt hatte.
    Er hatte angenommen, es wäre Beweis genug für seine Loyalität, dass er nichts verriet. Weit gefehlt, wie er inzwischen wusste. Sie gingen aufs Ganze. Dass er dichthielt, hatten sie vorausgesetzt, nun sollte er auch noch die Vergewaltigung gestehen. So lief das, wenn man sich auf Geschäfte mit dem Teufel einließ.
    Er blickte den Rechtsanwalt an und schwieg. Beim letzten Treffen hatte der Anwalt nicht an seine Unschuld geglaubt. Nun genügte ein Anruf von der Staatsanwaltschaft wegen eines Gesprächs mit offenem Ausgang, und schon hatte er das Gefühl, »wieder mitzuspielen«, alles war im grünen Bereich und es gab Grund zum Grinsen.
    »Jetzt wird es ein Nervenkrieg«, sagte Rosen, »wie beim Poker. Je weiter wir unsere Position ausbauen, desto mehr verlieren die an Boden. Sie müssen weiterhin Stillschweigen bewahren. Dürfen mit keinem reden. Ich führe die Verhandlungen in Ihrem Namen. Natürlich halte ich Sie über jeden Schritt auf dem Laufenden.«
    Me’ir hatte sich deutlich ausgedrückt. Er hatte ihm auch den Preis genannt, würde er sich querstellen. Ihnen standen alle Wege offen.
    »Sagen Sie ihr, dass ich gestehe«, sagte er zu Rosen, seine Stimme überschlug sich.
    »Was?« Mit einem Schlag wich das hochmütige Lächeln aus dem Gesicht des Anwalts.
    »Ich will, dass Sie zu dieser Unterredung mit der Staatsanwältin gehen und ihr sagen, dass ich Adi Regev vergewaltigt habe«, wiederholte er und versuchte nach besten Kräften, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen.
    »Wieso? Wieso sollte ich so etwas tun?«
    »Weil ich sie vergewaltigt habe, weil alles, was sie sagt, stimmt«, brachte er nur stockend heraus. »So will ich es. Und beim letzten Mal haben Sie mir erklärt, dass Sie als mein Anwalt wiedergeben müssen, was ich Ihnen zu sagen vorgebe, und das ist es eben, was Sie ihr sagen sollen.«
    Sichtlich nervös trommelte Rosen auf den Tisch.
    »Entschuldigen Sie, aber diesen Irrsinn kann ich wirklich nicht nachvollziehen.« Er klang gereizt. »Das letzte Mal saßen Sie mir hier gegenüber und sagten, dass Sie die Frau nicht vergewaltigt haben, alles sei erfunden und dagegen müsse vorgegangen werden. Jetzt komme ich mit guten Neuigkeiten zu Ihnen, womöglich sogar ausgezeichneten, und Sie wollen gestehen? Können Sie mir mal erklären, was hier vor sich geht?«
    Er hüllte sich in Schweigen. Was konnte er schon sagen? Er hatte Gili vor Augen: pure Niedlichkeit. »Er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten«, hatte er oft gehört. Er liebte ihn von ganzem Herzen, er war das Wertvollste in seinem Leben, seine Seele würde er für ihn verpfänden. Keinesfalls durfte er ihn in Gefahr bringen, wie hoch der Preis auch war. Er hatte ihm schon genug Schaden zugefügt.
    Rosen beugte sich über den Tisch zu ihm. »Bedroht Sie jemand?«, fragte er leise und betrachtete ihn eindringlich.
    Er sah ihn lange an. In der Mimik des Anwalts hatte sich etwas verändert, und er hatte einen anderen Ton angeschlagen. Zum ersten Mal hatte Ziv das Gefühl, wie ein Mensch von ihm behandelt zu werden, nicht wie ein Fall, bei dem er zusehen musste, wie am besten mit den Buchstaben des Gesetzes zu jonglieren war. »Wie ich Ihnen beim letzten Mal gesagt habe, muss ich Schweigepflicht über die Dinge bewahren, die Sie mir als mein Mandant anvertrauen … Wenn Sie jemand bedroht, kann man bestimmte Dinge in die Wege leiten … mit der Polizei reden, schildern, was …«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich bitte Sie,

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