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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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wie sich die englische Sprache im Lauf der Jahrhunderte verändert hat. Zur Veranschaulichung las ich ihnen Passagen aus Beowulf vor, aber sie sagten, ach nee, das ist doch kein Englisch. Halten Sie uns für blöd?
    Ich versuchte, vor meinen Schlossern, Elektrikern und Automechanikern Seidens eleganten Stil nachzuahmen, aber sie sahen mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle.
    Professoren konnten sich hinstellen und nach Herzenslust dozieren, ohne jemals Widerspruch oder Gemecker befürchten zu müssen. Ein beneidenswertes Leben. Sie brauchten nie jemandem zu sagen, setz dich, schlag dein Heft auf, nein, du kannst den Paß jetzt nicht haben. Sie brauchten nie Raufereien zu schlichten. Arbeiten wurden pünktlich abgeliefert. Keine Ausreden, Herrschaften, wir sind hier nicht an der High School. Wenn Sie sich überfordert fühlen, sollten Sie den Kurs abbrechen. Ausreden sind was für Kinder.
    Ich beneidete Seiden und College-Professoren allgemein um ihre vier oder fünf Wochenstunden. Ich hatte fünfundzwanzig. Sie besaßen unumschränkte Autorität. Ich mußte sie mir verdienen. Ich sagte zu meiner Frau, warum soll ich mich mit lustlosen Teenagern herumschlagen, wenn ich auch das schöne Leben eines Professors führen könnte? Es wär doch toll, so lässig in den Seminarraum zu schlendern, mit einem knappen Nicken die Studenten zu begrüßen, der Rückwand oder den Bäumen draußen vor dem Fenster eine Vorlesung zu halten, ein paar unleserliche Notizen an die Tafel zu kritzeln und die nächste
Hausarbeit bekanntzugeben – zwei Seiten über die Geldsymbolik in Dickens’ Bleakhaus . Keine Beschwerden, keine Proteste, keine Ausreden.
    Alberta sagte, ach, hör auf mit dem Gejammer. Sieh zu, daß du den Hintern hochkriegst und deinen Doktor machst, dann kannst du ein feiner kleiner Universitätsprofessor werden. Und den Studentinnen den Kopf verdrehen.
     
    Als Alberta das Lehramtsexamen ablegte, lernte sie R’lene Dahlberg kennen und brachte sie zum Abendessen mit. R’lene schlenkerte ihre Schuhe weg, setzte sich auf die Couch, trank Wein und erzählte uns von ihrem Leben mit ihrem Mann Edward. Sie lebten auf Mallorca, aber ab und zu kam sie in die Staaten zurück, um zu unterrichten und Geld für ihrer beider Lebensunterhalt in Spanien zu verdienen. Sie sagte, Edward sei ziemlich berühmt, und ich schwieg dazu, weil ich, soweit ich mich erinnerte, nur ein einziges Mal auf seinen Namen gestoßen war, in einem Essay von Edmund Wilson über proletarische Schriftsteller. R’lene sagte, in ein paar Monaten werde er aus Spanien nachkommen, und dann müßten wir auf einen Drink vorbeischauen.
    Ich konnte Edward Dahlberg vom ersten Moment an nicht leiden, aber vielleicht war ich auch nur aufgeregt wegen der Begegnung mit einem leibhaftigen homme de lettres  – mein Eintritt in die gesellschaftliche Welt der amerikanischen Literatur.
    An dem Abend, als Alberta und ich eingeladen waren, saß er in einer Ecke am Fenster in einem Ohrenessel, vor einem Halbkreis von Bewunderern. Sie sprachen über Bücher. Sie fragten ihn nach seiner Meinung über verschiedene Autoren. Er hatte für alle Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, sich selbst ausgenommen, nur Verachtung übrig: Hemingway habe »Babygeplapper« geschrieben, Faulkner »Seich«. Joyces Ulysses sei »ein einziges Waten im Kot von Dublin«. Er forderte alle
auf, nach Hause zu gehen und Autoren zu lesen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte: Sueton, Anaxagoras, Sir Thomas Brown, Eusebius, die Mönchsväter, Flavius Josephus, Randolph Bourne.
    R’lene stellte mich vor. Das ist Frank McCourt aus Irland. Er unterrichtet Englisch an einer High School.
    Ich streckte ihm die Hand hin, aber er ließ sie in der Luft hängen. Ah, Sie gehen noch auf die High School?
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Am liebsten hätte ich dem Flegel ein paar gelangt, aber ich tat nichts. Lachend fragte er R’lene, unterrichtet dein Freund Taubstumme? In Dahlbergs Welt war Schulunterricht nur etwas für Frauen.
    Ich zog mich verwirrt zu meinem Stuhl zurück.
    Dahlberg hatte einen massigen Schädel mit über die Glatze gepappten grauen Haarsträhnen. Das eine Auge saß starr in seiner Höhle, das andere bewegte sich ständig – es arbeitete für zwei. Er hatte eine markante Nase und einen üppigen Schnauzbart, und wenn er lächelte, blitzten seine klappernden falschen Zähne auf.
    Er war noch nicht fertig. Er richtete das eine Auge auf mich. Kann unser High-School-Junge

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