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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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wenn sie gerade einen Orgasmus hatten oder verwirrt sind).
    Damals wohnte ich in einem möblierten Souterrain-Zimmer in Portobello, das von Feuchtigkeit und einem muffigen Geruch heimgesucht war. Caroline teilte sich mit Leuten aus Cork ein Haus mit vier Schlafzimmern im Vorort Blanchardstown und räumte nach einem Monat ein, dass ihr das einfach »irgendwie zu viel Cork« sei. Kurz darauf zogen wir gemeinsam in die Cowper Road um, wo wir seitdem wohnen. Obwohl sie mir bereits alles über ihre vier Brüder erzählt hatte – allerdings kaum etwas Gutes -, traf ich Shane erst sechs Monate, nachdem ich Caroline kennengelernt hatte. Und so kam es dazu.

    Freitag, 30. Mai 2003: 18.00
     
    Caroline und ich wollten für das verlängerte Wochenende, das uns der Juni-Feiertag jedes Jahr beschert, nach Cork. Wir nahmen den Zug. Mein Auto war wieder einmal beim TÜV durchgefallen und stand in einer Werkstatt in Portobello herum. Caroline hatte kein Auto und keinen Führerschein. Wieso auch, wo sie fast überallhin joggte? Außer uns flohen mehrere tausend Leute überstürzt aus der Hauptstadt. Ich stand unter der Achselhöhle eines außergewöhnlich großen Mannes mit Zuckungen und einem schweren Schnupfen. Jedes Mal, wenn er sich schnäuzte – was sehr oft der Fall war -, klang es, als würden die Blechbläser eines Orchesters ihre Instrumente stimmen. Caroline stand an mich gedrückt vor mir und versuchte die neueste Ausgabe des Heat Magazine zu lesen. Infolge der räumlichen Beschränkung musste sie die Zeitschrift etwa fünf Zentimeter vor ihr Gesicht halten. Ein Luftzug von einem offenen Fenster in der Nähe wehte mir ihre Haare ins Gesicht, was schrecklich kitzelte. Meine Hände waren an meine Oberschenkel gepresst, und ich wagte nicht, sie zu bewegen, aus Angst, dass dadurch vielleicht Menschen am vorderen oder hinteren Ende des Zuges hinauspurzeln würden. Stattdessen versuchte ich, mir die hellen Strähnen aus dem Gesicht zu pusten, was so lange funktionierte, bis ich außer Atem geriet. Daraufhin wehten sie zu mir zurück, um mich weiter zu piesacken. Ich verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und stand einmal mehr auf dem mit Socke und Sandale bekleideten Fuß des Hünen. Ihm entfuhr ein ersticktes Jaulen – ich trug meine neuen silbernen Sandaletten mit den tödlich spitzen Stilettoabsätzen -, bevor er seine gerötete Nase lange und heftig in ein durchweichtes Taschentuch schnäuzte.

    »Tut mir leid«, murmelte ich gegen den groben Stoff seines Hemds. Der Zug machte mit schmerzhaftem Gekreische in Limerick Junction Halt. Die Türen flogen auf. Eine Flut von Feiertagsausflüglern, die wahlweise Taschen, Gitarren, Hurlingstöcke, Hüte und kleine Kinder umklammert hielten, strömte auf den Bahnsteig. Eine Frau in breiten braunen Ledersandalen und einem riesigen, zerknitterten braunen Kleid umklammerte den Griff eines Katzenkorbs. Durch die Stäbe starrten träge ein Paar leuchtend grüner Augen, während der Schwanz des Tiers die chaotische Szenerie mit einem abschätzigen Zucken abtat. Ich kannte das Geschlecht der Katze nicht, aber durch diese Pose von stolzer Geringschätzung wirkte sie wie eine Lady. Genau genommen sah sie ein bisschen aus wie meine Mutter.
    Caroline und ich ließen uns auf die frei gewordenen Sitze sinken. Die Luft im Waggon war dank erhitzter Körper und verbrauchten Sauerstoffs stickig. Zum scheinbar ersten Mal seit unserer Abfahrt in Dublin atmete ich aus.
    Ich drehte den Kopf zum Fenster und starrte auf endlose Felder, die sich bis hin zu einem eintönigen Himmel erstreckten. Sie waren durch niedrige Steinmauern voneinander getrennt, deren flache Steine wacklig aufeinandergeschichtet waren.
    »Schau, da steht eine Kuh.« Ich wurde munter und presste meine Nase ans Fenster.
    »Um Himmels willen, Grace.« Caroline sah kurz von ihrer Zeitschrift auf. »Du hast doch sicher schon einmal eine Kuh gesehen?«
    »Schon, aber sie wirken irgendwie viel interessanter, wenn man Urlaub auf dem Land macht.«
    »Grace, zum tausendsten Mal, wir fahren nicht aufs Land. Wir fahren nach Cork, unsere eigentliche Hauptstadt. Jetzt halt die Klappe in Sachen wilde Tierwelt und
beantworte mir die Fragen zu diesem Psychotest, okay? Du bist auf ein fantastisches Fest eingeladen, wo du mit der Crème de la Crème der Gesellschaft verkehren wirst. Der Typ, auf den du seit sechs Monaten stehst, wird auch da sein. Aber du hast nichts zum Anziehen und kein Geld, um dir etwas zu kaufen. Was tust

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