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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Sinead. Ja, ja, ich weiß, eine Sache zu verlieren, ist bedauerlich, aber drei Sachen … verdammt unachtsam.
    Na ja, ich habe sie nicht richtig verloren, im eigentlich Sinn des Wortes. Ich will sagen, ich weiß, wo sie ist, rein physisch. Im Bett mit einem Mann namens Jesus – man spricht es He-suus. Dort befinden sie sich seit letztem Donnerstag. Er hat einen goldenen Schneidezahn und ein gelegentlich schielendes Auge, trotzdem kann ich verstehen, was sie für ihn empfindet. Er ist so ein Latinotyp, wie ihn die Frauen bekanntlich lieben.
    Egal, es war nicht so, dass wir richtig zusammen
waren oder so, aber es war nett, ein bisschen Gesellschaft zu haben.
    Obwohl man ehrlicherweise sagen muss, dass es nicht unbedingt die beste Idee ist, wenn zwei Buchhalter miteinander verreisen. Wir waren so auf unseren Etat bedacht, und Sinead konnte an jedem beliebigen Tag – bis auf einen Zehntelcent genau – ausrechnen, wie weit wir ihn überschritten hatten. Sie drohte ständig, über eine Tabellenkalkulation den Cashflow zu ermitteln. Es sieht also so aus, als würde ich morgen »danz allein« nach Frankreich abreisen, wie Clare als Kind immer so schön sagte.
    Ich lege eine Postkarte bei. Könntest du sie bitte nächsten Montagmorgen bei meinem Büro abgeben? Sie muss am Montag ankommen, damit sie die maximale Schadensfreude erregt.Kaum zu glauben, dass ich schon einen ganzen Monat weg bin. Selbst am Tag der Lohnauszahlung – vergangenen Donnerstag – vermisste ich nichts von meinem alten Leben (abgesehen von meinem Lohn natürlich). Dennoch, ich kann mir Wein, Käse und Brot für unter fünf Euro kaufen, und das deckt im Wesentlichen die drei Nährstoffgruppen ab.
    Ich verschaffe mir Bewegung – überwiegend, indem ich nach Dingen suche wie dem Park Güell (ich ging etwa zwei Kilometer in die falsche Richtung) und Hotelzimmerschlüsseln (ich musste meinen Weg zurückgehen, und da ich mich an der ersten Station verirrte, endete es damit, dass ich Ewigkeiten unterwegs war). Kannst du also Mam berichten, dass ich auf mich achte? Sag ihr bitte auch, dass ich meine Zähne putze, denn ich weiß, dass sie fragen wird. Aber was noch besser ist: Ich schreibe. Ich meine, ich
schreibe wirklich. Jeden Tag. Meistens Kurzgeschichten, wobei eine darunter ist, von der ich möchte, dass sie länger und länger wird, also mache ich damit einfach weiter und warte ab, wohin es führt.
    Wir geht es dir? Bist du noch immer unsere »geliebte kleine Verrückte«? Diesen Ausdruck mag ich übrigens. Um deine Frage zu beantworten: Ja, ihn mag ich auch. Er scheint charmant zu sein und unterhaltsam, und natürlich ist er Carolines Bruder, was nur zum Vorteil sein kann. Von Caroline habe ich eine E-Mail erhalten. Sie beklagt sich schon wieder, dass deine Haare überall im Bad herumliegen. Wenn du so weitermachst, hast du mit vierzig eine Glatze.
    Ich höre jetzt besser auf. Die Bedienung hat mir gerade ein paar Tapas und ein sehr kaltes Bier gebracht. Selbst im Schatten ist es heiß, und ich habe seit einem Monat keinen Anzug mehr getragen. Das hier ist nicht der Himmel, aber es ist verdammt nah dran.
     
    Bis bald & alles Liebe,
Patrick
     
    PS. Nein, werde dir nicht mailen. Wir mögen zwar so gut wie gleich alt sein, aber akzeptiere einfach, dass bei mir manches anders ist als bei dir, und erlaube diesen Briefen, dass sie in deinen Briefkasten fallen. Sind sie nicht immerhin eine schöne Abwechslung zu deinen Kreditkartenabrechnungen? Und dein Name und deine Adresse wurden mit der Hand geschrieben und nicht von einer schwachsinnigen Datenbank angelegt, die immer alles falsch schreibt.

11
    Habe ich eigentlich von meinem Bett erzählt? Zusammen mit dem Bad steht es auf der Liste der Örtlichkeiten, in denen ich gerne abhänge. Es handelt sich um ein monströses Teil, das kaum in mein Zimmer passt. Unter den gegebenen Umständen lassen sich die Türen des Kleiderschranks nicht ganz öffnen, und ich habe eine stolze Ansammlung von Blutergüssen auf meinen Schienbeinen, weil ich, wenn ich nicht aufpasse, was sehr oft passiert, gegen den Bettrahmen knalle.
    Es ist das einzige Möbelstück, das mir wirklich gehört. Als wir in die Wohnung einzogen, war mein Zimmer mit zwei, ich nenne sie gern »Ernie-und-Bert«-Betten, ausstaffiert, also zwei schmalen Einzelbetten, die für viktorianische Waisenkinder oder winzige Puppen, aber nicht für ein Prachtweib wie mich gedacht waren. Jedes Mal, wenn Shane übernachtete, schob ich die Betten zusammen, und am

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