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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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unübersichtlich.
    16. Januar 2011, 18:00 Bei der Ankunft kurz vor unserem Hotel mussten wir hinter Auto vor Scharfschützen in Deckung gehen.
    16. Januar 2011, 18:01 Versuchen Material für ORF-ZIB aus Hotel zu überspielen. Aber Internet ist sehr langsam. Wissen nicht, ob es klappt.
    16. Januar 2011, 19:09 Um unser Hotel ist es nun ruhig. Draußen Ausgangssperre. Aber laut Al Jazeera soll es Schießereien in Nähe des Präsidentenpalastes geben.
    16. Januar 2011, 19:24 Es gibt Meldungen, dass morgen die Regierung gebildet wird. Jetzt sind doch wieder Schüsse zu hören, aus Schnellfeuergewehren.
    16. Januar 2011, 19:28 Jetzt ist es wieder ruhig.
    Arabesken, tazblog 17.1.2011
    Ankunft in Tunis

    Es war eine etwas deftige Ankunft in Tunis. Eigentlich hat es ganz entspannt begonnen. Die Ankunftshalle am Flughafen war, anders als der Abflugterminal, vollkommen leer. Dieser Tage fliegen nicht viele Menschen nach Tunesien. Wir fanden einen netten Taxifahrer, der bereit war, uns für einen korrekten Preis zu unserem Hotel in die Stadtmitte zu fahren. Es gab nicht viele Autos auf den Straßen und die Läden waren alle dicht, ansonsten schien aber alles recht normal zu sein. Zumindest bis wir die Gegend in der Nähe des Innenministeriums erreichten. Da nahmen uns plötzlich zwei Polizeiautos in die Zange, zehn Polizisten stürmten mit den Waffen im Anschlag auf unser Taxi zu und riefen, wir sollten sofort aussteigen und das ganze Gepäck auf die Straße werfen, das wir dann Stück für Stück öffnen mussten. Erst dann entspannten sie sich und baten uns, diesmal höflich, weiterzufahren. Die Prozedur wiederholte sich noch dreimal, allerdings ohne Zangenbewegung an ganz normalen Straßensperren. Meist waren nur unsere Pässe gefragt.
    Dann musste das Taxi etwa einhundert Meter vor dem Hotel anhalten. Von dort ging es nur zu Fuß weiter, wobei ein paar freundliche Polizisten uns mit dem Fernsehgepäck halfen, als plötzlich eine ganze Reihe Schüsse fielen. Zusammen mit den Polizisten und dem Gepäck warfen wir uns hinter das nächste Auto, um erst wieder hervorzukommen, als die Schüsse aufhörten. Woher sie kamen und wer in unsere Richtung geschossen hat, war unklar. Im Laufschritt kamen wir bei der Hotelpforte an, die mit Wellblech-Platten verbarrikadiert war, nur durch einen kleinen Schlitz können die Hotelgäste durchhuschen. Schnell, schnell, hieß es, draußen lauerten die Scharfschützen der alten Präsidentengarde Ben Alis.
    Den Rest des Tages verbrachten wir am Fenster im 20. Stockwerk des Hotels, das einen wunderschönen Ausblick auf die weißen Dächer von Tunis bietet. Immer wieder fallen Schüsse. Ein Hubschrauber der Armee kreist stundenlang über das Stadtzentrum, wohl um die Scharfschützen auf den Dächern auszumachen. Wer die sind, woher sie kommen? Keiner weiß es genau. Aber offensichtlich sind sie da, um für Chaos zu sorgen, um dem neuen Tunesien ohne Ben Ali den Anfang schwer zu machen.
    Erst am Abend, mit Beginn der Ausgangssperre, wird es wieder ruhig. Abgesehen von einer Alarmanlage, die nun schon die ganze Nacht vor sich hinzwitschert. Am Nachmittag, als sie losging, hatte sich der Besitzer offensichtlich nicht getraut, während der Schießereien in seinen Laden zu kommen und sie abzuschalten. Und nachts herrscht Ausgangssperre.
    Eigentlich sollten die Leute auf der Straße feiern, den Diktator zum Teufel gejagt zu haben. Stattdessen sitzen sie zu Hause mit Angst und Sorge, was mit ihrem Land als nächstes passiert. Morgen, haben sie im Fernsehen verkündet, wird eine neue Regierung gebildet.
    Auf Facebook gepostet
    17. Januar 2011, 7:22 Es war eine ruhige Nacht in Tunis. Alles wartet auf die heutige Verkündung der Übergangsregierung. Dort werden auch Minister aus dem alten Regime sitzen, da die Opposition zu klein und schwach ist, um die Amtsgeschäfte alleine zu führen. Werden die Menschen ein zusammengezimmertes Konstrukt bis zu den Wahlen akzeptieren?
    Arabesken, tazblog 18.1.2011
    Die tunesische Übergangsregierung: ein fauler oder ein kluger Kompromiss?

    Die Gretchenfrage lautet: Werden die Tunesier die jetzt geformte Übergangsregierung anerkennen, in der mehr alte als neue Gesichter sitzen, und das besonders in den strategisch wichtigen Ministerien? Haben sich die Tunesier in ihrem Aufstand noch in der Zielgeraden über den Tisch ziehen lassen? Ist das neue Tunesien nur ein Abklatsch des alten, nur ohne Ben Ali und die verhasste Familie seiner Frau, die es anscheinend noch geschafft

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