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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Anerkennung gleich.
    Doch dieser Sieg könnte für die Bruderschaft teuer werden. Denn gerade die junge Garde der Muslimbrüder, die sich in den letzten Tagen zusammen mit der säkularen Opposition jeden Tag auf dem Tahrir-Platz behauptet, fordert nicht nur einen Wechsel an der Spitze des Staates, sondern eine Änderung des Systems. Und es ist fraglich, ob ihr die in dem Treffen mit Suleiman herausgearbeiteten Forderungen genügen und ob sie den ehemaligen Militärgeheimdienstchef Omar Suleiman überhaupt als Verhandlungspartner akzeptiert.
    Lässt sich die Führung der Muslimbrüder auf einen Deal mit Omar Suleiman ein, riskiert sie den Bruch mit der jungen Generation der Muslimbrüder und die Spaltung – etwas, was schon seit Jahren in der Luft liegt. Die jüngeren Muslimbrüder hatten immer wieder gefordert, dass ihre Organisation zusammen mit der Kifaya-, der „Es reicht“-Bewegung, aktiver gegen Mubarak auf die Straße gehen sollte. Bei den kleinen Demonstrationen der letzten Jahre waren zwar immer wieder einzelne jüngere Muslimbrüder präsent, die Führung hatte sich aber stets zurückgehalten.
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    7.2.2011
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    Arabesken, tazblog 7.2.2011
    Den Tahrir-Platz in den Köpfen kann ihnen niemand mehr nehmen

    Liebe Blog-Leser und -Leserinnen,
    Ich möchte mich inständig dafür entschuldigen, dass hier in den letzten Wochen nichts Neues erschienen ist. Ich hatte schlichtweg keine Zeit, nachdem mein Telefon seit fast zwei Wochen im Zehnminuten-Takt klingelt. Ich musste zunächst meine Medien bedienen und konnte mich nach einem 16-Stunden-Arbeitstag entscheiden, ob ich noch ein paar Stunden schlafe oder für diesen Blog schreibe. Ich habe mich aus Überlebensgründen für den Schlaf entschieden.
    Die letzten zwei Wochen zählen sicherlich zu den aufregendsten meines Lebens. Der Freitag, als ich im Tränengasnebel der Polizei stand und mit anderen Demonstranten vor den Steinen der Polizei davongelaufen bin, nur um zu sehen, wie die Jugendlichen dann einfach auf die Polizeiketten zugestürzt sind und sie verjagt haben, scheint Lichtjahre von heute entfernt.
    Dann kam die Zeit der Plünderungen, nachdem das Regime die Gefängnisse geöffnet hatte und auch einige Polizisten in Zivil bei den Plünderungen erwischt wurden. Das Ganze hatte System. Das Regime versuchte Chaos zu schaffen, um sich dann als Retter in der Not zu präsentieren.
    Die Antwort der Menschen: Sie versammelten sich immer wieder auf dem Tahrir-Platz und bildeten Nachbarschaftskomitees, um ihr Eigentum und die Familien zu schützen. Ich lebe seit 20 Jahren in diesem Land, aber niemals hätte ich mir vorstellen können, wie sich die Menschen in so kurzer Zeit selbst organisieren. Nachbarn kamen auf der Straße zusammen, die zuvor nie miteinander gesprochen hatten. Jetzt saßen sie die ganze Nacht zusammen am Lagerfeuer und arbeiteten zusammen, egal ob arm oder reich. Einer meiner Freunde erzählte mir, er sei mit einem antiken Erbstück seines Vaters, einem alten Schwert, auf der Straße gesessen. „Ich wusste nicht, ob ich damit die Plünderer abschrecke oder ob das wertvolle Schwert sie erst recht anziehen würde“, witzelt er heute.
    Wen die Nachbarschaftskomitees beim Stehlen erwischten, der war nicht zu beneiden. Ich habe mehr als einmal erlebt, wie sie diese Menschen fast zu Tode geprügelt haben. Einmal bin ich sogar selbst eingeschritten und habe geholfen, dass der mutmaßliche Plünderer der Armee übergeben wurde. Die dann ihrerseits auf ihn eingeprügelt hat. Aber wahrscheinlich mussten die Soldaten zeigen, dass sie es ernst meinen, ansonsten hätten die Komitees die Angelegenheit weiter in die eigenen Hände genommen, und das hätte der Gefangene nicht überlebt. Es war eine brutale, aber effektive Strategie. Die Plünderungen hörten auf. Da war noch kein einziger Polizist auf der Straße zu sehen.
    Dann kam der schlimmste Tag, an dem das Regime seine Schläger losschickte, um die Demonstranten, die Innenstadt und auch uns Journalisten zu terrorisieren. Auch dieser Horror ist inzwischen vorbei. Jetzt setzt das Regime auf Zeit und versucht die Opposition auseinanderzudividieren. Der Protest geht in die dritte Woche und das Regime hofft, die öffentliche Meinung gegen die Demonstranten aufzubringen, nach dem Motto: Die Demonstranten sind schuld, dass keine Normalität eintritt. Vertraut uns und wir werden wieder Stabilität herstellen.
    Die Demonstranten haben ihrerseits ihre Taktik geändert. Nicht jeden Tag können

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