Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
jungen Aufständischen, die auf der Ladefläche neben dem Maschinengewehr sitzen, eingehüllt in die schwarz-rot-grüne Flagge. Seit Wochen kämpfen sie in der Wüste gegen Gaddafis Truppen. Eigentlich waren sie sogar schon 160 Kilometer weiter westlich bis Bin Dschawad gekommen, unweit von Syrte, wurden aber zurückgeschlagen. Nun befinden sie sich wieder, dank internationaler Luftunterstützung, auf dem Vormarsch.
„Die Gaddafi-Truppen hatten Listen und haben die Leute aus den Häusern und den Moscheen geholt und mitgenommen“, berichtet Usama Abu Bakr, der vor dem Supermarkt steht. Sie hätten wild um sich geschossen und sogar mit ihren schweren Flugabwehrgeschützen auf alles gezielt, was sich auf der Straße bewegte. Dann terrorisierten die auf den Dächern postierten Scharfschützen die Bewohner. „90 Prozent der Menschen hier sind geflüchtet, übriggeblieben sind ein paar meist ältere Männer, die die Häuser bewachen. Frauen und Kinder sind Richtung Osten geflohen, die jungen Männer kämpfen im Westen an der Front“, sagt Abu Bakr.
„Natürlich haben hier alle Angst, dass Gaddafis Truppen wiederkommen, aber Angst hatten wir 41 Jahre lang“, meint er und zieht seine Baseballkappe mit der Aufschrift „Nevada Las Vegas“ gegen die Sonne tiefer ins Gesicht. Ein junger Mann neben ihm scheint über die Ereignisse den Verstand verloren zu haben. Er redet unablässig vor sich hin und kreischt wild gestikulierend die wenigen vorbeifahrenden Autos an.
Täglich Hunderte gespendete Brote
Ein Stückchen weiter die Straße hinunter hat sich eine Menschentraube um drei Pkws versammelt. Beim Näherkommen wird klar, warum: Hinter der Heckklappe im Kofferraum stapeln sich kleine Baguettes. Drei junge Männer packen das Brot in Plastiktüten und verteilen es. „Wir kommen jeden Tag. Heute haben wir 700 Brote dabei. Wir kaufen das Brot dank Spenden in Bengasi und transportieren es hierher“, erzählt einer der jungen Fahrer. „Alle sind müde und krank“, schildert Ahmad Hassan, der aus Adschdabiya kommt, aber mit seiner Familie vor zwei Wochen in ein 40 Kilometer entferntes Dorf geflüchtet ist. Jeden Tag kommt er in die Stadt, um Brot zu holen. „Gaddafis Panzer kommen nie wieder zurück“, hofft er, „die Revolutionäre schützen uns.“
„Wir sind die letzten in unserer Straße“, sagt Hamdia Hafez. „Wir gehen raus und haben Angst, wir sitzen zu Hause und haben Angst. Möge Gott dafür sorgen, dass die Revolutionäre ganz Libyen befreien, damit wir sicher und normal leben können“, bittet die Mutter von fünf Kindern, verknotet die Tüte mit dem Brot und zieht mit ihrem an einer Krücke humpelnden Mann davon.
Ein paar Kilometer weiter befindet sich das westliche Ausfalltor der Stadt. Hier geht es zum umkämpften Brega. Wo genau die Front verläuft, weiß der Verantwortliche an der Straßensperre nicht. Er hat keine Funkverbindung, sagt er. Informationen bekommt er von den zurückkehrenden Fahrern. Ansonsten wird hier eigentlich jeder, der weiter in den Westen will, freundlich durchgewinkt.
Sieben-Mann-Trupps
Am Straßenrand macht ein Pritschenwagen mit aufgebautem Maschinengewehr eine kleine Pause. Am Steuer sitzt Yahia Zuweih, ein Freiwilliger. Er habe keinerlei militärische Ausbildung, sagt er. Das Kämpfen habe er direkt an der Front gelernt, dort sei es ziemlich chaotisch. Es gebe ein paar übergelaufene Militärs, die versuchten, Anweisungen zu geben, aber kaum einer höre auf sie.
Fauzi Ibrahim ist einer dieser übergelaufenen Militärs. Seit ein paar Tagen versuchen sich die Rebellen den Anschein einer militärischen Struktur zu geben. Ein ehemaliger Offizier soll jeweils sieben Freiwillige führen. Der weißhaarige Ibrahim lernte einst in Russland das Militärhandwerk. Dennoch hat er es mit seinen sieben Jungs nicht bis zur Front geschafft. Eines der allradangetriebenen Fahrzeuge hatte einen Motorschaden. Trotzdem gibt sich Ibrahim optimistisch: „Wir haben unsere 14-Millimeter-Kanone“, deutet er auf ein Flugabwehrgeschütz auf der Ladefläche, „und die Kalaschnikows.“ Er hebt sein eigenes Schnellfeuergewehr hoch. „Gaddafis Truppen haben allerdings Waffen mit einer Reichweite von 70 Kilometern“, räumt er noch ein, um mit einem zuversichtlichen „Aber wir haben Gott“ zu enden.
Plötzlich taucht ein hochrangiger übergelaufener regulärer Armeeoffizier auf. Wutentbrannt steigt er aus seinem Wagen, schreit und staucht die Leute als „Sauhaufen“ zusammen. Den
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