Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
Menschenrechtsbewegung aktiv war, beim Frühstück. Und dann kam auch für mich der große Moment. Ich steckte das erste Mal in meinem Leben meinen Wahlzettel in eine ägyptische Urne, um anschließend meinen Finger in nicht abwaschbare Tinte einzutauchen, um sicherzustellen, dass ich nicht zweimal wählen kann. Es war ein bewegender Moment. Leider ist mein erstes arabisches Demokratiemal nach ein paar Tagen verblasst.
Was in der arabischen Welt gerade geschieht, ist viel umfassender als der Blick auf den nächsten Bombeneinsatz in Libyen. Schade, dass Zeitungen nur eine Titelseite haben.
Und die gehört einstweilen Libyen und aus diesem Grund packe auch ich jetzt wieder meine Taschen für die nächste Reise nach Bengasi, in die Hochburg der libyschen Rebellen.
Arabesken, tazblog 30.3.2011
Die Last der Kommunikation: Was ein Journalist in Libyen alles dabei hat
Es ist wieder soweit. Ich packe meine Sachen für meine nächste Reise nach Bengasi. Der Satz meiner Redakteure, den ich am meisten liebe, wenn ich dort bin, lautet: „Ich habe Ihnen gerade eine E-Mail geschickt, können Sie einmal kurz Ihre Inbox checken?“
Dummerweise ist Libyen derzeit ein weißer Fleck im Netzwerk der globalen Kommunikation. Das Internet ist seit Wochen abgeschaltet. Die Handynetzwerke funktionieren meistens ebenfalls nicht und auch das Festnetz ist nur sporadisch einsetzbar.
Vor 20 Jahren, als ich anfing zu arbeiten, hätte man als Journalist in so einer Situation etwa Folgendes gesagt (das war noch vor den Zeiten des Internet und der Mobiltelefone): „Ich fahre jetzt für zehn Tage nach Libyen. Ihr hört wieder von mir, wenn ich zurück bin und dann habe ich hoffentlich ein paar Geschichten in der Tasche.“
Diese Zeiten sind aufgrund der modernen Satellitenkommunikation leider vorbei. Jetzt wird von einem Journalisten erwartet, an jedem Ort 24 Stunden am Tag erreichbar zu sein, ob im Busch, in der Wüste, auf dem weiten Ozean oder eben im von Gaddafi abgeschalteten Libyen.
Hier eine Liste der Geräte, die ich mitnehme, einzig und allein, um erreichbar zu sein:
Für Realisten:
- Ein Satelliten-Handy (sollte überall im Freien funktionieren, tut’s aber erfahrungsgemäß nicht immer).
- Eine Bgan-Satellitenanlange (muss immer mühevoll aufgebaut werden, funktioniert aber, wenn der Balkon des Hotelzimmers in der richtigen Richtung liegt).
Für Optimisten:
- Ein Handy mit ägyptischem Chip (falls das Netz doch funktioniert und man roamen kann).
- Ein Handy mit libyschem Chip (falls Gaddafi wieder den Schalter umlegt).
Gut, dass man nicht nach Bengasi fliegen kann und ich 17 Stunden mit dem Auto fahre. Da gibt es am Flughafen wenigstens keinen Streit wegen Übergepäck. Es lebe die globale Kommunikation in Echtzeit.
Auf Facebook gepostet
31. März 2011, 4:40 Ich mache mich jetzt mit dem Auto auf den Weg nach Libyen, heute Abend bin ich hoffentlich zunächst in Tobruk, dann geht es weiter nach Bengasi.
31. März 2011, 14:54 Ich bin in Libyen.
1. April 2011, 7:32 Ich bin mit einem libyschen Ali Schuhmacher mit 180 kmh gleich nach Bengasi durchgebrettert und habe überlebt.
2. April 2011, 21:53 Bin heute an der Front bei den Rebellentruppen in Adschdabiya.
taz.de, 3.4.2011
Mit Gott und Kalaschnikow
Die Stadt Adschdabiya gehört wieder den Rebellen. Sie versuchen Ordnung und eine Kommandostruktur in das militärische Chaos zu bringen. Fast alle Einwohner sind geflohen.
Adschdabiya. Die Fliegen weisen den Weg zu dem einzigen geöffneten Laden in Adschdabiya, einem kleinen Supermarkt. Geöffnet ist er eigentlich nur, weil der Besitzer versucht zu retten, was zu retten ist. Drinnen ist es dunkel. Es gibt keinen Strom. Über der Gefriertruhe, die er mit seinem Mitarbeiter nach draußen trägt, hängt ein Leichengeruch, aber das liegt wohl an dem verrotteten Fleisch und Fisch in der Truhe, deren Anblick sofortige Übelkeit auslöst. Die Fensterfront ist eingeschlagen. Gaddafis Truppen haben sich hier noch vor zwei Wochen bedient, als sie die Stadt von den Rebellen zurückerobert hatten, bevor die Rebellen sie eine Woche später wieder eingenommen haben.
Gelegentlich brettert einer ihrer Pritschenwagen über die Hauptstraße, jenen Weg, der von der östlichen Rebellenhochburg Bengasi kommt, durch die Stadt geht und am anderen Ende gen Westen wieder hinausführt, dort, wo 60 Kilometer weiter gerade die Front im Kampf zwischen den Aufständischen und Gaddafis Truppen verläuft.
Es sind recht verwegene Gestalten, diese
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