Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
alten Kategorien wie Imperialismus oder Kampf ums Öl fassen lässt.
Auch die Arabische Liga kämpft, wie die Aussagen ihres Generalsekretärs Amr Moussa zeigen. Er kritisiert, dass zur Durchsetzung der Flugverbotszone jetzt Zivilisten bombardiert werden. Gleichzeitig fliegen Kampfjets des Golfemirats Katar über den libyschen Luftraum. Die arabische Welt ist komplizierter geworden.
Dort weiß man derzeit gar nicht, wohin man sich wenden soll. Denn im Windschatten von Japan und Libyen finden umwälzende Entwicklungen statt, die bei einer ruhigeren Nachrichtenlage jede für sich eine Schlagzeile wert gewesen wären.
Saleh dürfte der Nächste sein
Der seit 32 Jahren regierende jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh ist aller Voraussicht nach der nächste auf der arabischen Diktatorenliste, der den Abgang machen wird, wahrscheinlich vor Muammar Al-Gaddafi. Seit Wochen dauern die Demonstrationen der Demokratiebewegung im Jemen an.
Mindestens 42 von ihnen starben im Kugelhagel von auf den Dächern postierten Scharfschützen. Doch die Menschen lassen sich nicht abschrecken. Die Beerdigung der ermordeten Demonstranten wurde zu einer Machtdemonstration der Demokratiebewegung. Seitdem brechen Saleh nacheinander die Säulen seiner Macht weg. Wichtige Armeegeneräle verweigern ihm den Gehorsam und laufen zu den Demonstranten über. Ebenso wie einige seiner Minister, bevor Saleh in einem letzten Verzweiflungsakt sein Kabinett gefeuert hat.
Jemenitische Botschafter im Ausland, von der UNO bis China, wenden ihrem Präsidenten den Rücken zu. Der Gouverneur von Aden tritt zurück. Der in der jemenitischen Stammesgesellschaft für Saleh vermutlich folgenschwerste Schritt: Ganze Stämme verkünden ihre Loyalität zu den friedlichen Aufständischen. Und nun hat er für Ende des Jahres seinen Rücktritt in Aussicht gestellt. Ali Abdullah Saleh ist am Ende.
Die Saudis in Bahrain
In Bahrain versucht die herrschende Al-Khalifa-Familie die Protestbewegung mit Unterstützung der saudischen Armee, die sie zu Hilfe gerufen hat, brutal zu unterdrücken. Was in dem einzigen großen Krankenhaus in der Hauptstadt Manama in den vergangenen Tagen geschehen ist, spricht Bände. Militär und Polizei hatten das Gebäude übernommen und machten regelrecht Jagd auf Hunderte verletzte Demonstranten, die dort als Patienten lagen. Ursprünglich durch die Polizeieinsätze verletzt, wurden sie im Krankentrakt verprügelt und mitgenommen, genauso wie einige der Ärzte, einer von ihnen aus dem Operationssaal weg.
In ihrem verzweifelten Versuch nach Aufrechterhaltung des status quo machen die arabischen Herrscher auch nicht vor Krankenhäusern halt. Saudi-Arabien übt in Bahrain für die Unterdrückung seiner eigenen schiitischen Bürgerbewegung im Osten des Landes.
In Syrien beginnt der Protest in der Provinz
Gerade versuchte man die Geschichten aus Bahrain zu verarbeiten, da kamen die ersten YouTube-Videos aus Syrien, das von der eisernen Faust Baschar Al-Assads und seiner zahlreichen berüchtigten Geheimdienste regiert wird. Aber auch die Syrer wollen nach tunesischem und ägyptischem Vorbild dieses repressive System endlich loswerden. Ähnlich wie in Tunesien beginnt der Aufstand in Syrien nicht in der Hauptstadt, sondern in einem Provinznest namens Deraa im Süden des Landes unweit der jordanischen Grenze.
Nach ägyptischem Vorbild zündeten die Demonstranten erst einmal die lokale Zentrale der verhassten regierenden Baath-Partei an. Der Sicherheitsapparat reagierte erwartungsgemäß brutal, mindestens fünf Menschen kamen ums Leben. Die Stadt Deraa ist vom Rest des Landes abgeriegelt. Aber geht es nach dem üblichen arabischen Revolutionsdrehbuch, dann bricht der Aufstand in den nächsten Tagen auch in anderen Teilen Syriens aus.
Demokratiefest in Ägypten
Und während überall die Hütte der alten arabischen Regimes brennt, feierte das nachrevolutionäre Ägypten am Wochenende sein erstes Demokratiefest, als das Land am Nil über ein Verfassungsänderung abstimmte. Ich war bei Freunden zu einem Referendumsfrühstück eingeladen. Anschließend zogen wir, wie viele andere, mit ägyptischen Fahnen zum Wahllokal und verteilten dort Süßigkeiten. Die ganze Gruppe, etwa 20 Leute, ging das erste Mal wählen.
„Ich habe jedes Mal Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, dass ich wählen gehe und keine Ahnung habe, wie die Abstimmung ausgehen wird“, erzählte mir ein guter Freund, der lange Jahre in der ägyptischen
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