Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
hätte sie am liebsten um sich geschlagen und laut geschrien. Aber es gelang ihr immer noch, sich zusammenzureißen.
An jenem Nachmittag wartete Elena in der Schule auf dem Flur, daß ihr Klassenraum frei wurde. Da kamen Tyler Smallwood und Dick Carter auf sie zu. Seit Tyler wieder zur Schule zurückgekommen war, hatte er nicht ein einziges Wort mit ihr gesprochen. Während der Ankündigung des Direktors hatte er so böse gelächelt wie Caroline.
Als er jetzt Elena alleine stehen sah, stieß er Dick Carter mit dem Ellbogen an. „Was haben wir denn da?“ fragte er. „Ein Mauerblümchen?“ Stefan, wo bist du? dachte Elena. Dabei kannte sie die Antwort. Er saß auf der anderen Seite des Schulgebäudes im Matheunterricht.
Dick öffnete den Mund, um eine blöde Bemerkung zu machen, doch plötzlich
änderte
sich
sein Gesichtsausdruck. Er
schaute an Elena vorbei den Flur hinunter. Elena drehte sich um und sah Vickie.
Vickie und Dick waren vor dem Schulball miteinander gegangen. Elena nahm an, daß sie immer noch ein Pärchen waren. Aber Dick machte einen unsicheren Eindruck, als wüßte er nicht, wie er sich dem Mädchen gegenüber verhalten sollte.
Vickies Verhalten war merkwürdig. Sie ging, als würden ihre Füße den Boden nicht berühren. Ihre Pupillen waren stark erweitert, der Blick abwesend. „Hallo“, sagte Dick verlegen und trat ihr in den Weg. Ohne ihn anzusehen, ging Vickie an ihm vorbei auf Tyler zu. Was dann geschah, beobachtete Elena mit wachsender Unruhe. Es hätte lustig sein können, war es jedoch nicht. Tyler sah verwirrt aus. Vickie legte ihm eine Hand auf die Brust. Er lächelte gequält. Vickie ließ die Hand unter seine Jacke gleiten. Das Lächeln schwand. Vickie ließ ihre zweite Hand der ersten folgen. Tyler sah hilfesuchend zu Dick.
„He, Vickie. Laß es gut sein“, bat Dick hastig, machte jedoch keine Anstalten, sich dem Mädchen zu nähern. Vickie schob mit den Händen Tylers Jacke von seinen Schultern. Er versuchte, sie betont gleichgültig und ohne seine Bücher loszulassen wieder überzuziehen. Es klappte nicht. Vickies Finger krochen unter sein Hemd. „Aufhören! He, Dick, tu was!“
Tyler hatte sich zurückgezogen, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stand.
„Komm, Vickie. Laß das. „Aber Dick blieb in sicherer Entfernung. Tyler warf ihm einen wütenden Blick zu und versuchte, Vickie wegzustoßen. Ein merkwürdiges Geräusch ertönte. Zunächst ganz leise, dann immer lauter. Ein Knurren, unheimlich und drohend.
Schauder überliefen Elena. Tyler hatte die Augen ungläubig weit aufgerissen. Schon bald erkannte Elena, weshalb. Das Geräusch kam von Vickie. Dann passierte alles auf einmal.
Tyler fand sich auf dem Boden wieder, und Vickies zubeißende Zähne waren nur Zentimeter von seiner Kehle entfernt. Elena vergaß allen Streit. Sie versuchte, Dick zu helfen, Vickie von Tyler wegzuziehen. Tyler schrie vor Angst. Die Tür zum Klassenzimmer wurde aufgerissen. Alaric rief etwas. „Verletzt sie nicht. Seid vorsichtig! Sie bekommt einen epileptischen Anfall! Wir müssen sie hinlegen!“
Vickie versuchte wieder zuzubeißen, als er mit anpacken wollte. Das zierliche Mädchen war plötzlich stärker als alle zusammen. Die anderen verloren die Kontrolle über sie. Sie würden es nicht länger schaffen, sie festzuhalten. Elena war enorm erleichtert, als sie hinter sich eine vertraute Stimme hörte.
„Vickie, beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Entspann dich jetzt.“ Stefan hatte Vickies Arm gepackt und redete beruhigend auf sie ein. Jetzt wagte Elena ihren Griff zu lockern. Zunächst schien es, als würde Stefans Plan gelingen. Vickies verkrampfte Finger lösten sich, und man konnte sie von Tyler wegheben.
Während Stefan mit ihr sprach, wurde ihr Körper schlaff, und sie schloß die Augen.
„Das ist gut. Du bist jetzt ganz müde. Du darfst schlafen.“
Aber mit einemmal war der Bann, den Stefan über sie hatte, gebrochen. Vickie riß die Augen weit auf. Ihr Blick war haßerfüllt. Sie fauchte Stefan an und begann mit frischer Kraft weiterzukämpfen.
Fünf oder sechs Mann wurden schließlich gebraucht, um sie festzuhalten, während die Polizei benachrichtigt wurde. Elena blieb, wo sie war. Sie redete mit Vickie und schrie sie manchmal an, bis die Polizei kam. Es half alles nichts. Dann trat sie zurück und bemerkte zum erstenmal die neugierige Menge, die sich um sie gesammelt hatte. Bonnie stand in der ersten Reihe, den Mund vor Staunen weit aufgerissen, genau
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