Tagebuch Eines Vampirs 03. In Der Dunkelheit
daß sie etwas tun mußte. „Ich glaube“, sagte Stefan langsam, „daß du dich besser statt meiner mit ihm getroffen hättest. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber er wollte mir nicht zuhören. Das kann ich verstehen. Vielleicht hast du mehr Erfolg. Und...“ Er hielt kurz inne und fuhr dann entschlossen fort. „...du solltest allein mit ihm sein. Du könntest jetzt gleich gehen.“ Elena sah ihn forschend an. „Bist du sicher?“ „Ja.“ „Kommst du denn allein zurecht? Ich sollte bei dir bleiben...“ „Keine Sorge, Elena“, drängte er sie sanft. „Jetzt geh.“ Elena zögerte, dann nickte sie.
„Ich werde nicht lange wegbleiben“, versprach sie ihm.
Ohne gesehen zu werden, schlich Elena um das Holzhaus mit der abblätternden Farbe und dem schiefen Briefkasten mit der Aufschrift „Honeycutt“. Matts Fenster war unverschlossen.
Unvorsichtiger Junge, dachte sie tadelnd. Weißt du denn nicht, was da alles hereinkriechen könnte? Sie öffnete es leise. Aber weiter konnte sie natürlich nicht gehen. Eine unsichtbare Barriere, die sich anfühlte wie eine weiche Wand aus fester Luft, blockierte ihren Weg.
„Matt“, flüsterte sie. Im Zimmer war es dunkel, aber sie konnte eine undeutliche Gestalt im Bett erkennen. Die grünen Leuchtziffern der Uhr sagten ihr, daß es Viertel nach zwölf war.
„Matt“, flüsterte sie wieder. Die Gestalt bewegte sich. „Hmm?“
„Matt, ich will dich nicht erschrecken.“ Sie sprach mit ganz ruhiger, dunkler Stimme und versuchte, ihn sanft zu wecken, statt ihn brutal aus dem Schlaf zu reißen. „Ich bin's, Elena. Ich möchte mit dir reden. Doch du mußt mich zuerst hereinbitten.
Kannst du das tun?“ „Komm herein.“ Elena war erstaunt, wie wenig überrascht er klang. Erst als sie über die Fensterbank geklettert war, merkte sie, daß er immer noch schlief.
„Matt, Matt“, flüsterte sie und hatte Angst, zu nahe heranzugehen. Im Zimmer war es stickig und heiß. Die Heizung lief auf Hochtouren. Sie konnte einen nackten Fuß sehen, der unter dem Deckenberg hervorlugte, und das blonde Haar auf dem Kopfkissen. „Matt?“ Vorsichtig lehnte sie sich hinüber und berührte ihn.
Er reagierte. Und wie! Mit einem lauten Keuchen schoß Matt hoch und fuhr herum. Er starrte Elena mit weit aufgerissenen Augen ungläubig an. Elena versuchte, ganz klein und unscheinbar zu wirken. Sie zog sich gegen die Wand zurück.
„Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich weiß, es ist ein Schock für dich. Aber willst du mit mir reden?“
Er starrte sie nur weiter an. Sein blondes Haar war verschwitzt und durcheinander. Es stand vom Kopf ab wie nasse Hühnerfedern. Elena konnte den Puls an seinem nackten Hals sehen. Sie hatte Angst, Matt könnte aufspringen und aus dem Zimmer stürzen. Dann entspannte er sich. Seine Schultern fielen zusammen, und er schloß langsam die Augen. Er atmete tief, aber in kurzen Stößen. „Elena.“
„Ja“, flüsterte sie. „Du bist tot.“ „Nein. Ich bin hier.“ „Tote kommen nicht zurück. Mein Dad ist auch nicht zurückgekommen.“ „Ich bin nicht richtig gestorben. Ich habe nur... eine Verwandlung durchgemacht.“ Matts Augen waren immer noch abwehrend geschlossen, und Elena fühlte, wie sie kalte Hoffnungslosigkeit überkam. „Aber du wünschst dir, ich wäre gestorben, nicht wahr? Ich werde jetzt gehen“, sagte sie mit leiser Stimme.
Da verlor Matt die Fassung. Er begann zu weinen. „Nein. Nicht doch. Bitte, Matt, nicht.“ Sie trat zu ihm, wiegte ihn in ihren Armen und mußte selbst gegen die Tränen ankämpfen. „Es tut mir leid. Ich hätte gar nicht erst herkommen sollen. “ „Geh nicht weg“, schluchzte er. „Geh nicht weg.“ „Ich bleibe.“ Elena hatte den Kampf verloren, und ihre Tränen fielen in Matts feuchtes Haar. „Ich wollte dir nicht weh tun, niemals. Niemals, Matt. Alle die Male... all die Dinge, die ich tat... ich wollte dich nie verletzen. Ehrlich...“ Dann hörte sie auf zu reden und hielt ihn nur. Nach einer Weile ging sein Atem ruhiger. Er setzte sich zurück und wischte sich das Gesicht mit dem Bettlaken ab.
Sein Blick wich ihr aus. Sein Ausdruck spiegelte nicht nur Verlegenheit, sondern auch Argwohn wider, so als wollte er sich für etwas wappnen, vor dem er sich fürchtete. „Okay, du bist hier. Du lebst“, sagte er hart. „Was willst du also?“ Elena war wie vor den Kopf geschlagen. „Komm schon. Da muß doch was sein. Was ist es?“ Neue Tränen stiegen ihr in die Augen, doch Elena
Weitere Kostenlose Bücher