Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
angreifende Schlange, sah sie, was Damon tat. Er wich einfach im letzten Moment zur Seite aus, genau in der Sekunde, als Matt ihn mit einer Schulter zu rammen drohte.
Matts Schwung trug ihn weiter, aber Damon drehte sich lediglich auf der Stelle um und stand wieder mit dem Gesicht zu ihm gewandt. Dann hob er seinen verdammten Kiefernast hoch. Er war an dem Ende, auf dem Matt herumgetrampelt hatte, abgebrochen.
Damon betrachtete den Ast mit einem Stirnrunzeln, dann zuckte er die Achseln, hob ihn hoch - und dann blieben sowohl er als auch Matt wie angewurzelt stehen.
Irgendetwas kam vom Rand der Lichtung herangesegelt und landete zwischen ihnen auf dem Boden. Es lag da und bewegte sich in der Brise.
Es war ein braun-blaues Pendleton-Hemd.
Beide Jungen drehten sich langsam zu Elena um, die ein weißes Spitzenhemdchen trug. Sie zitterte leicht und schlang die Arme um ihren Körper.
Für diese Zeit des Abends schien es ungewöhnlich kalt zu sein.
Ganz langsam ließ Damon den Kiefernast sinken.
»Gerettet von deiner innamorata«, sagte er zu Matt.
»Ich weiß, was das bedeutet, und es ist nicht wahr«, widersprach Matt. »Sie ist meine Freundin, nicht meine Geliebte.«
Damon lächelte nur kühl. Elena konnte seinen Blick auf ihren nackten Armen spüren. »Also ... zum nächsten Schritt«, sagte er.
Elena war nicht überrascht. Es tat ihr im Herzen weh, aber überrascht war sie nicht. Ebenso wenig überraschte es sie, ein Aufblitzen von Rot zu sehen, als Damon zwischen ihr und Matt hin- und herblickte. Es schien auf der Innenseite seiner Sonnenbrille zu reflektieren.
»Also«, sagte er zu Elena. »Ich denke, wir werden dich auf diesen Felsen betten, sodass du halb liegst. Aber zuerst - noch ein Kuss.« Er wandte sich wieder zu Matt um. »Weiter im Programm, Matt; du verschwendest Zeit. Zuerst darfst du ihr Haar küssen, dann wirft sie den Kopf in den Nacken und du küsst ihren Hals, während sie die Arme um deine Schultern legt...«
Matt, dachte Elena. Damon hatte Matt gesagt. Es war so mühelos, so unschuldig über seine Lippen gekommen. Plötzlich schienen ihr gesamtes Gehirn und auch ihr Körper zu vibrieren, als seien sie von einem einzelnen, melodiösen Ton erfasst worden. Zugleich hatte sie das Gefühl, als würde sie unter einer eisigen Dusche stehen. Doch was dieser Ton sagte, war nicht schockierend, denn er bedeutete etwas, das sie irgendwie, auf einer unterschwelligen Ebene, bereits gewusst hatte ...
Dies ist nicht Damon.
Dies war nicht die Person, die sie schon so lange kannte, seit ... waren es wirklich nur neun oder zehn Monate? Sie hatte ihn zum ersten Mal gesehen, als sie ein menschliches Mädchen gewesen war, und sie hatte ihm in gleichem Maße getrotzt, wie sie ihn begehrte - und er hatte sie anscheinend am meisten geliebt, wenn sie ihm trotzte.
Sie hatte ihn gesehen, als sie ein Vampir gewesen war und sich mit jeder Faser ihres Seins zu ihm hingezogen fühlte - und er hatte für sie gesorgt, als sei sie ein Kind.
Und sie hatte ihn gesehen, als sie ein Geist gewesen war, und aus dem Jenseits heraus hatte sie eine Menge über ihn erfahren.
Er war ein Schürzenjäger, er konnte grausam sein, er driftete durch das Leben seiner Opfer wie eine Schimäre, wie ein Katalysator, veränderte andere, während er selbst unveränderlich und unverändert blieb. Er war den Menschen ein Rätsel, er verwirrte sie, benutzte sie - ließ sie fassungslos zurück, weil er den Charme des Teufels hatte.
Und nicht ein einziges Mal hatte sie ihn sein Wort brechen sehen. Sie hatte das felsenfeste Gefühl, dass dies keine bewusste Entscheidung war, sondern es war so sehr ein Teil von Damon, so tief in seinem Unterbewusstsein verwurzelt, dass nicht einmal er selbst etwas daran ändern konnte. Er konnte sein Wort nicht brechen.
Eher würde er verhungern.
Damon redete noch immer mit Matt, gab ihm Befehle. »... und dann ziehst du ihr das Hemdchen ...«
Was also war mit seinem Wort, dass er ihr Leibwächter sein würde, dass er sie vor Schaden bewahren würde?
Jetzt sprach er mit ihr. »Du weißt also, wann du den Kopf in den Nacken werfen musst? Nachdem er ...«
»Wer bist du?« »Was?«
»Du hast mich verstanden. Wer bist du? Wenn du dich wirklich von Stefano verabschiedet und ihm versprochen hättest, dich um mich zu kümmern, wäre nichts von dem hier geschehen. Oh, du würdest Matt vielleicht piesacken, aber nicht vor meinen Augen. Du bist nicht ... Damon ist nicht dumm. Er weiß, was ein Leibwächter ist.
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