Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
machen? Was können wir damit anfangen?
»Das war ein Begrüßungskuss«, erklärte sie kühn. »Er dient dazu, die Person zu identifizieren, mit der man zu tun hat, damit man den Betreffenden anschließend jederzeit wiedererkennen kann. Selbst - selbst Präriehamster tun das. Also - bitte -
, könnten wir uns ein klein wenig bewegen, Damon? Ich werde zerquetscht.«
Und außerdem ist diese Position viel zu provokant, dachte sie. Für alle Beteiligten.
»Noch eine Chance«, sagte Damon und diesmal lächelte er nicht. »Ich will einen Kuss sehen - einen echten Kuss. Oder ...«
Elena drehte sich auf dem engen Raum um. Dann sah sie Matt forschend in die Augen. Schließlich waren sie im vergangenen Jahr eine ganze Weile ein Paar gewesen. Elena sah den Ausdruck in Matts blauen Augen: Er wollte sie küssen, sosehr er nach dieser Schmerzerfahrung überhaupt etwas wollen konnte. Und ihm war klar, dass sie diese Scharade mitmachen musste, um ihn vor Damon zu retten.
Irgendwie kommen wir hier heraus, sandte Elena ihm in Gedanken. Also, wirst du kooperieren? Einige Jungen hatten tatsächlich keine Knöpfe in dem Bereich ihres Gehirns, der selbstsüchtigen Gefühlen vorbehalten war. Einige, wie Matt, hatten dort Knöpfe mit der Aufschrift EHRE oder SCHULD.
Jetzt hielt Matt still, als sie sein Gesicht in beide Hände nahm, es zu sich herabzog und sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihn zu küssen, weil er so sehr gewachsen war. Sie dachte an ihren ersten richtigen Kuss, in seinem Wagen, auf dem Heimweg von einem unbedeutenden Schulball. Er hatte furchtbare Angst gehabt, seine Hände waren feucht gewesen, sein ganzes Inneres hatte gebebt. Sie selbst war kühn, erfahren und sanft gewesen.
Und das Gleiche war sie auch jetzt, als sie mit ihrer warmen Zungenspitze über seinen Mund strich, um seine erstarrten Lippen zu lösen. Und nur für den Fall, dass Damon ihre Gedanken belauschte, konzentrierte sie sich strikt auf Matt, auf sein sonniges Aussehen, seine warme Freundschaft und auf die zuvorkommende Höflichkeit, mit der er ihr immer begegnet war, selbst als sie mit ihm Schluss gemacht hatte. Sie nahm es gar nicht wahr, als er ihr die Arme um die Schultern legte oder als er die Kontrolle über den Kuss übernahm wie ein Verdurstender, der endlich Wasser gefunden hat. Sie konnte es deutlich in seinem Geist sehen: Er hatte niemals geglaubt, dass er Elena Gilbert jemals wieder so küssen würde.
Elena wusste nicht, wie lange es dauerte. Schließlich nahm sie die Arme von Matts Hals und trat zurück.
Und dann wurde ihr etwas klar. Es war kein Zufall, dass Damon wie ein Filmregisseur geklungen hatte. Er hielt eine handflächengroße Videokamera hoch und schaute in den Sucher. Er hatte das Ganze gefilmt.
Und Elena war deutlich zu sehen gewesen. Sie hatte keine Ahnung, was mit der tarnenden Baseballmütze und der dunklen Brille geschehen war. Ihr Haar war zerzaust und ihr Atem ging in schnellen, unwillkürlichen Stößen. Das Blut war an die Oberfläche ihrer Haut gestiegen. Matt sah nicht viel gefasster aus, als sie sich fühlte.
Damon schaute vom Sucher auf.
»Wozu willst du das haben?«, knurrte Matt in einem Tonfall, der so ganz anders war als seine normale Stimme. Der Kuss hat auch auf ihn gewirkt, dachte Elena.
Mehr als auf sie.
Damon griff wieder nach seinem Ast und schwenkte das Ende davon abermals wie einen japanischen Fächer. Kiefernduft wehte zu Elena herüber. Er wirkte nachdenklich, als wollte er vielleicht um eine zweite Aufnahme bitten, dann schien er seine Meinung zu ändern, lächelte sie strahlend an und verstaute die Videokamera in einer Tasche.
»Du brauchst nur zu wissen, dass es eine perfekte Aufnahme war.«
»Dann gehen wir jetzt.« Der Kuss schien Matt neue Kraft verliehen zu haben, selbst wenn sie dazu diente, die falschen Dinge zu sagen. »Sofort.«
»O nein, aber bewahre dir diese dominante, aggressive Haltung. Während du ihr das Hemd ausziehst.«
»Was?«
Damon wiederholte die Worte im Tonfall eines Regisseurs, der einem Schauspieler komplizierte Anweisungen gab.
»Öffne bitte die Knöpfe ihres Hemdes und zieh es ihr aus.«
»Du bist verrückt.« Matt drehte sich um, schaute Elena an und hielt entsetzt inne, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah und die einzelne Träne, die ihr aus dem Auge rollte.
»Elena ...«
Er bewegte sich auf sie zu, aber sie wich ihm aus. Er konnte sie nicht dazu bringen, ihm ins Gesicht zu sehen. Schließlich hielt sie inne und stand mit gesenktem Blick
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