Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
oder zwei der Kleineren schnappen, wenn sie herausgelaufen kommen.«
» Herausgelaufen?«
» Wenn sie mich sehen, werden sie verschwinden wollen. Wahrscheinlich werden sie in alle Richtungen rennen, aber einige von ihnen werden den Weg nehmen, über den sie immer hineingehen. Also, helfen Sie mir jetzt oder nicht?«
» Nicht, Sir«, sagte Matt langsam und entschieden. » Und– und, hören Sie– hören Sie, ich flehe Sie an, nicht dort hineinzugehen! Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche!«
» Ich habe keine Ahnung, welche Art von Dope Sie nehmen, Junge, aber im Augenblick habe ich keine Zeit, mich länger mit Ihnen zu befassen. Und wenn Sie noch einmal versuchen, mich aufzuhalten«– er schwenkte die Glock in Matts Richtung– » werde ich Sie auch noch wegen Behinderung von Strafverfolgung drankriegen. Kapiert?«
» Ja, ich hab’s kapiert«, sagte Matt müde. Er zog sich wieder in das Versteck zurück, während der Sheriff mit überraschend wenig Lärm hinausschlüpfte und zu dem Dickicht hinüberging. Dann stolzierte Sheriff Mossberg zwischen den Bäumen hindurch und verschwand aus Matts Gesichtsfeld.
Matt saß eine Stunde lang in dem Versteck und schwitzte. Er hatte Mühe, wach zu bleiben, als sich im Dickicht etwas regte und Shinichi herauskam, an der Spitze der lachenden, singenden Kinder.
Sheriff Mossberg war nicht bei ihnen.
Kapitel Zweiundzwanzig
Am Nachmittag nach Elenas » Disziplinierung« nahm sich Damon ein Zimmer im selben Gebäudeteil, in dem auch Dr. Meggar lebte. Lady Ulma blieb in der Praxis des Arztes, bis Sage, Damon und Dr. Meggar sie vollkommen geheilt hatten.
Lady Ulma sprach jetzt nie mehr über traurige Dinge. Sie erzählte ihnen so viele Geschichten über ihre Kindheit auf dem Gut, dass sie das Gefühl hatten, sie könnten darauf herumspazieren und jeden Raum wiedererkennen, so gewaltig das Anwesen auch war.
» Ich nehme an, es ist jetzt das Heim von Ratten und Mäusen«, sagte sie wehmütig, als sie eine ihrer Geschichten beendete. » Und Spinnen und Motten.«
» Aber warum?«, fragte Bonnie, die die Signale nicht sah, die sowohl Meredith als auch Elena ihr gaben, um sie daran zu hindern nachzufragen.
Lady Ulma legte den Kopf in den Nacken, um zur Decke hinaufzuschauen. » Wegen… General Verantz. Jener Dämon in mittleren Jahren, der mich sah, als ich erst vierzehn war. Als er mit seiner Armee mein Zuhause angriff, haben sie jedes lebende Geschöpf niedergemetzelt, das sie darin fanden– bis auf mich und meinen Kanarienvogel. Meine Eltern, meine Großeltern, meine Tanten und Onkel… meine jüngeren Brüder und Schwestern. Selbst meine Katze, die auf dem Fenstersitz schlief. General Verantz hat mich holen lassen, so wie ich war, im Nachthemd und mit nackten Füßen, mit ungekämmtem Haar, das sich aus dem Zopf löste, und neben ihm war mein Kanarienvogel, von dessen Käfig man das Nachttuch gezogen hatte. Der Vogel lebte noch und hüpfte so fröhlich wie eh und je umher. Und das ließ alles andere, was geschehen war, irgendwie noch schlimmer wirken– und noch traumartiger. Es ist schwer zu erklären.
Zwei der Männer des Generals hielten mich fest, als sie mich zu ihm brachten. Sie stützten mich im Grunde mehr, als dass sie mich davon abhielten wegzulaufen. Ich war so jung, ihr versteht, und alles war so unwirklich. Aber ich erinnere mich genau daran, was der General zu mir sagte. Er sagte: ›Ich habe diesem Vogel gesagt, er solle singen, und er hat gesungen. Ich habe deinen Eltern gesagt, dass ich dir die Ehre erweisen wolle, dich zur Frau zu nehmen, und sie haben sich geweigert. Jetzt schau dort hinüber. Wirst du wie der Kanarienvogel sein oder wie deine Eltern, frage ich mich?« Und er deutete in eine dunkle Ecke des Raums– natürlich gab es damals nur Fackellicht, und die Fackeln waren für die Nacht gelöscht worden. Aber ich hatte genug Licht, um zu sehen, dass in der Ecke ein Haufen runder Gegenstände lag, mit Stroh oder Gras auf einer Seite. Zumindest dachte ich das zuerst– wirklich. So unschuldig war ich, und ich glaube, der Schock hatte irgendetwas mit meinem Verstand gemacht.«
» Bitte«, murmelte Elena und streichelte sanft Lady Ulmas Hand. » Sie brauchen nicht weiterzusprechen. Wir verstehen…«
Aber Lady Ulma schien sie gar nicht zu hören. Sie fuhr fort: » Und dann hielt einer der Männer des Generals eine Art Kokosnuss an einem sehr langen, geflochtenen Strohhalm in die Höhe. Er ließ sie beiläufig hin und her baumeln– und
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