Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
geschehen solle. Damons Blick ruhte jedoch auf Elenas Gesicht, auf dem Blut, das immer noch aus ihrer Schnittwunde quoll. Il figlio de cafone, dachte Damon und bleckte die Zähne, als er auf den Leichnam hinabschaute, sodass selbst der Sänftenträger auf Händen und Knien davonhuschte.
» Damon, erlaube nicht, dass er verschwindet! Bring sie alle sofort hierher…«, begann Elena, und dann, als ein allgemeines Raunen durch die Reihen der Zuschauer lief, setzte sie telepathisch hinzu: Erlaube nicht, dass die Sänftenträger verschwinden. Wir brauchen eine Sänfte, um diese arme Frau zum Arzt zu bringen. Und warum starren mich eigentlich alle so an?
Weil du eine Sklavin bist, und du hast gerade Dinge getan, die kein Sklave tun sollte, und jetzt gibst du mir, deinem Herrn, Befehle. Damons Stimme klang aufgebracht.
Es ist kein Befehl. Es ist eine – hör mal, jeder Gentleman würde einer Dame in Not beistehen, richtig? Nun, hier sind vier Damen, und eine hat schlimmere Nöte, als du es dir anschauen möchtest. Nein, das gilt sogar für drei von uns. Ich denke, ich werde genäht werden müssen, und Bonnie steht kurz vor einem Zusammenbruch. Elena sprach methodisch seine Schwachstellen an, und sie wusste, dass Damon wusste, dass sie es tat. Aber er befahl einer Gruppe von Sänftenträgern, herzukommen und die Sklavin aufzuheben, und der anderen, seine Mädchen einsteigen zu lassen.
Elena stieg mit der Frau in eine Sänfte, deren Vorhänge allesamt geschlossen waren. Der Geruch von Blut hinterließ in ihrem Mund einen Geschmack wie von Kupfer und trieb ihr die Tränen in die Augen. Nicht einmal sie wollte die Verletzungen der Sklavenfrau allzu genau betrachten, aber Blut floss auf die Sänfte. Schließlich zog sie ihre Bluse und ihr Mieder aus und zog nur die Bluse wieder an, sodass sie das Mieder benutzen konnte, um den großen, diagonalen Riss auf der Brust der Frau zu bedecken. Wann immer die Frau den Blick ihrer dunkelbraunen verängstigten Augen hob, versuchte Elena, ihr ermutigend zuzulächeln. Sie befanden sich irgendwo tief unten in den Gräben der Kommunikation, wo ein Blick und eine Berührung mehr bedeuteten als Worte.
Stirb nicht, dachte Elena. Stirb nicht, denn du hast etwas, wofür es sich zu leben lohnt. Lebe für deine Freiheit und für dein Baby.
Und vielleicht drang etwas von ihren Gedanken zu der Frau durch, denn sie entspannte sich in den Kissen der Sänfte und hielt Elenas Hand fest.
Kapitel Siebzehn
» Ihr Name ist Ulma«, erklang eine Stimme, und als Elena den Blick senkte, stellte sie fest, dass Lakshmi eine Hand über den Kopf gestreckt hatte und die Vorhänge der Sänfte zurückhielt. » Alle kennen den alten Drohzne und seine Sklaven. Er schlägt sie, bis sie ohnmächtig werden, und dann erwartet er, dass sie seine Rikscha aufnehmen und diese Last weitertragen. Er tötet fünf oder sechs im Jahr.«
» Diese hat er nicht getötet«, murmelte Elena. » Er hat bekommen, was er verdiente.« Sie drückte Ulmas Hand.
Sie war unendlich erleichtert, als die Sänfte anhielt und Damon selbst erschien, gerade als sie anfangen wollte, mit einem der Sänftenträger zu feilschen, um ihn dazu zu bringen, Ulma auf den Armen zum Arzt zu tragen. Damon gelang es irgendwie, völliges Desinteresse auszustrahlen, selbst als er ohne Rücksicht auf seine Kleidung die Frau– Ulma– auf die Arme nahm und Elena mit einem Nicken bedeutete, ihm zu folgen. Lakshmi huschte um ihn herum und führte sie in einen kunstvoll gemusterten, steinernen Innenhof und von dort aus weiter durch einen schiefen Gang mit einigen soliden, respektabel aussehenden Türen. Schließlich klopfte sie an eine der Türen und ein verhutzelter Mann mit einem riesigen Kopf und winzigen Überresten eines strähnigen Bartes öffnete vorsichtig die Tür.
» Ich habe hier keine Ketteris! Keine Hexen, keine Zemeral! Und ich mache keine Liebeszauber!« Dann kniff er kurzsichtig die Augen zusammen und schien die kleine Gruppe zum ersten Mal richtig wahrzunehmen.
» Lakshmi?«, fragte er.
» Wir haben eine Frau hergebracht, die Hilfe braucht«, sagte Elena knapp. » Außerdem ist sie schwanger. Sie sind Arzt, nicht wahr?«
» Ein Heiler mit begrenzten Fähigkeiten. Kommt herein, kommt herein.«
Der Arzt eilte in ein Hinterzimmer. Sie alle folgten ihm, wobei Damon immer noch Ulma trug. Sobald sie den Raum betrat, sah Elena, dass der Heiler in eine Ecke gegangen war, die wie das überfüllte Hausheiligtum eines Zauberers aussah, angereichert mit
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