Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
Hand ausstrecken, damit er seine Finger
um Bonnies Bein legen konnte, obwohl sie wusste, dass
das, was sie sah, ein blitzschnel er Griff nach dem Knöchel
des zierlichen Mädchens war. Sie hörte sogar Damons
Telepathie: Nein, kleine Närrin!, als spreche er die Worte
in seinem gewohnten, trägen Tonfal der Überlegenheit.
Dann – immer noch in Zeitlupe – beugte Bonnie die Knie
und sprang in die Luft.
Aber sie berührte nicht wieder den Boden. Irgendwie
schlug dort, wo Bonnie gelandet wäre, eine Art schwarzer
Blitz ein. Und dann wurde Bonnie geworfen, wurde so
schnel durch die Luft geschleudert, dass Elena es nicht mit
verfolgen konnte, hinaus aus dem kahlen Kreis. Es folgte
ein dumpfer Aufpral – Bonnie, die irgendwo aufschlug.
Ziemlich deutlich hörte sie Stefano mit einer schrecklichen
Stimme »Damon!« rufen. Und dann sah Elena dünne,
dunkle Gegenstände – wie gebogene Lanzen –
herabschießen. Noch etwas, dem sie mit den Augen nicht
folgen konnte. Doch als ihre Augen sich angepasst hatten,
sah sie, dass es lange, gebogene schwarze Äste waren,
gleichmäßig um den Baum herum verteilt wie dreißig
Spinnenbeine; dreißig lange Speere, die dazu gedacht
waren, entweder jemanden in ihrem Innern einzusperren
wie Gitterstäbe einer Zel e oder – ihn dort auf den
merkwürdigen Grund zu Elenas Füßen zu heften.
»Heften« war ein guter Ausdruck. Elena gefiel sein Klang.
Noch während sie die scharfen, gekrümmten Dornen an
den Ästen anstarrte, dachte sie an Damons Ärger, fal s
einer seine Lederjacke durchstochen haben sol te. Er
würde sie verfluchen, und Bonnie würde versuchen, so zu
tun, als hätte er es nicht getan – und …
Sie war inzwischen nahe genug, um zu sehen, dass es so
einfach nicht war. Ein Ast von der Größe eines Wurfspeers
hatte sich in Damons Schulter gebohrt, was höl isch wehtun
musste. Außerdem hatte er ihm einen Blutstropfen direkt in
seinen Mundwinkel gespritzt. Aber weitaus ärgerlicher als
das war die Tatsache, dass er die Augen vor ihr
verschlossen hatte. So jedenfal s sah Elena es. Er sperrte
sie al e bewusst aus ? viel eicht weil er w?tend war;
viel eicht wegen des Schmerzes in seiner Schulter. Aber es
erinnerte sie an das, was sich wie eine st?hlerne Wand
angef?hlt hatte, als sie das letzte Mal seinen Geist ber?
hren wol te ? und verdammt, merkte er denn nicht, dass er
ihnen Angst machte?
»Öffne die Augen, Damon«, sagte sie errötend, denn sie
wusste, dass er genau diese Worte von ihr hören wol te. Er
war wirklich der größte Manipulator von al en. »Öffne die
Augen, habe ich gesagt!« Jetzt war sie wirklich gereizt.
»Spiel nicht Vogel Strauß, denn du täuscht niemanden, und
wir haben wirklich genug!« Sie wol te ihn gerade heftig
schütteln, als etwas sie in die Luft hob, in Stefanos
Gesichtsfeld.
Stefano hatte Schmerzen, aber sie waren gewiss nicht so
schlimm wie die von Damon, also schaute sie zurück, um
Damon zu beschimpfen, als Stefano rau sagte: »Elena, er
kann nicht!«
Für das winzige Bruchteilchen einer Sekunde klangen die
Worte unsinnig für sie. Nicht nur unsinnig, sondern
bedeutungslos wie etwa die Bemerkung, dass jemand
seinen Blinddarm nicht daran hindern könne zu tun, was
immer ein Blinddarm eben tat. Das war al es, was sie an
Aufschub bekam, dann musste sie sich mit dem befassen,
was ihre Augen ihr zeigten.
Damon war nicht an der Schulter angeheftet worden. Er
war gepfählt worden, ein wenig links von der Mitte seines
Oberkörpers.
Genau dort, wo sein Herz war.
Worte drangen in ihr Bewusstsein. Worte, die
irgendjemand einmal gesagt hatte – obwohl sie sich im
Moment nicht daran erinnern konnte, wer das gewesen
war. »So leicht kann man einen Vampir nicht töten. Wir
sterben nur, wenn man uns einen Pflock durchs Herz
rammt …«
Sterben? Damon, sterben? Das war irgendeine Art von
Versehen …
»Öffne die Augen!«
»Elena, er kann nicht!«
Aber sie wusste, ohne zu wissen, wie, dass Damon nicht
tot war. Es überraschte sie nicht, dass Stefano es nicht
wusste; sie spürte es durch eine sehr persönliche
Verbindung zwischen ihr und Damon.
»Komm schon, beeil dich, gib mir deine Axt«, sagte sie, so
verzweifelt und mit einer solchen Bestimmtheit, dass
Stefano ihr die Axt wortlos überreichte und gehorchte, als
sie ihm befahl, den gebogenen Spinnenbeinast von oben
und unten festzuhalten. Dann durchschlug sie mit einigen
schnel en Axthieben den schwarzen Ast, der
Weitere Kostenlose Bücher