Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
schiefgegangen war.
»Komm schon, komm schon, her damit!« Den Blick auf
seine Rechnungsbücher gerichtet, schnippte der Mann mit
den Fingern.
Inzwischen fuhr Bonnie sich mit einer Hand über ihr
Sackleinenkleid, von dem sie ganz genau wusste, dass
darin keine Tasche war und gewiss kein Pass.
»Aber ich dachte, ich brauchte keinen Pass, außer um in
einen anderen Sektor zu wechseln«, plapperte sie
schließlich drauflos.
Jetzt beugte der Mann sich über die Theke. »Dann zeig mir
deinen Freiheitspass«, verlangte er, und Bonnie tat das
Einzige, was ihr einfiel. Sie drehte sich um und rannte
davon. Aber noch bevor sie die Tür erreichen konnte,
spürte sie einen plötzlichen, brennenden Schmerz im
Rücken, und dann war al es verschwommen, und sie
bemerkte es gar nicht, als sie auf dem Boden aufschlug.
KAPITEL FÜNFZEHN
Bonnie erwachte langsam und tauchte von irgendeinem
dunklen Ort auf.
Dann wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Sie befand
sich irgendwo im Freien – doch die Gebäude versperrten
den Blick zum Horizont, über dem für immer die blutrote
Sonne hing. Um sie herum waren eine Menge anderer
Mädchen, al e schätzungsweise in ihrem eigenen Alter.
Das war verwirrend. Wenn es sich um eine wil kürliche
Ansammlung weiblicher Wesen gehandelt hätte, würden
darunter kleine Mädchen sein, die nach ihren Müttern
weinten, und es würden Frauen im Mutteralter dabei sein,
die sich um sie kümmerten. Es würden viel eicht auch
einige ältere Frauen darunter sein. Aber dieser Ort sah
mehr aus wie …
… oh Gott. Es sah hier aus wie bei einem der
Sklavenhandel, die sie bei ihrem letzten Besuch in der
Dunklen Dimension hatten passieren müssen. Wo Elena
ihnen befohlen hatte, sich nicht umzusehen und nicht zu
lauschen. Aber jetzt war Bonnie überzeugt davon, selbst in
einem solchen Sklavenhandel gelandet zu sein, und es war
unmöglich, die reglosen Gesichter, die verängstigten
Augen und die bebenden Münder um sie herum nicht
anzusehen.
Sie wol te sprechen, wol te den Weg hinaus finden – es
musste einen Weg geben, würde Elena beharren. Aber
zuerst sammelte sie al e Macht, die ihr zu Gebote stand,
formte sie zu einem Ruf und schrie lautlos: Damon!
Damon! Hilfe! Ich brauche dich wirklich!
Al es, was sie als Antwort hörte, war Schweigen.
Damon! Ich bin es, Bonnie! Ich bin im Lager eines
Sklavenhändlers! Hilfe!
Plötzlich hatte sie eine Ahnung und senkte ihre
hel seherischen Barrieren. Sofort fühlte sie sich erdrückt.
Selbst hier, am Rand der Stadt, war die Luft zum Ersticken
angefül t mit langen und kurzen telepathischen Nachrichten:
Rufen der Ungeduld, der Kameradschaft, des Grußes oder
der Werbung. Längere, weniger ungeduldige Gespräche
über irgendwelche Dinge, Anweisungen, Neckereien,
Geschichten. Sie konnte nicht al es aufnehmen. Es
verwandelte sich in eine bedrohliche Wel e von Klängen,
die über ihrem Kopf zusammenzuschlagen drohte, um in
eine Mil ion Stücke zu zersplittern.
Und dann, ganz plötzlich, verschwand das telepathische
Wirrwarr. Bonnie war in der Lage, den Blick auf ein
blondes Mädchen zu konzentrieren, ein wenig älter als sie
und ungefähr zehn Zentimeter größer.
»Ich habe gefragt, ob al es in Ordnung ist mit dir?«,
wiederholte das Mädchen – offensichtlich hatte es schon
eine Weile mit ihr gesprochen.
»Ja«, sagte Bonnie automatisch. Nein!, dachte Bonnie.
»Du sol test dich viel eicht bereitmachen. Der erste Pfiff
zum Essen ist schon vorbei, aber du hast so verwirrt
gewirkt, dass ich auf den zweiten gewartet habe.«
Was sol ich antworten?! Danke, schien das Sicherste zu
sein. »Danke«, sagte Bonnie. Dann fragte ihr Mund
gänzlich aus eigenem Antrieb: »Wo bin ich?«
Das blonde Mädchen schaute sie überrascht an. »Natürlich
im Lager für entlaufene Sklaven.«
Nun, das war es also. »Aber ich bin nicht weggelaufen«,
protestierte Bonnie. »Ich wol te gleich wieder zurückgehen,
nachdem ich eine Zuckerpflaume gekauft hatte.«
»Darüber weiß ich nichts. Ich habe versucht wegzulaufen,
aber sie haben mich schließlich eingefangen.« Das
Mädchen schlug sich mit einer Faust auf die offene Hand.
»Ich wusste, ich hätte diesem kleinen Träger nicht
vertrauen sol en. Er hat mich direkt zu den Behörden
getragen.«
»Du meinst, du hattest die Vorhänge der Sänfte
heruntergelassen …?«, fragte Bonnie, gerade als ein
schril er Pfiff sie unterbrach. Das blonde Mädchen fasste
sie am Arm und
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