Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
eure Beziehung sich verbessert.«
Elena hielt inne, um tief Luft zu holen und um festzustellen, welche
Wirkung ihre Worte auf die Brüder hatten. Zumindest versuchten sie zur
Abwechslung einmal nicht, einander zu töten. Das musste ein gutes
Zeichen sein. Jetzt starrten sie einander mit undeutbaren Mienen an. Da-
mon leckte sich das Blut von den Lippen. Stefano strich sich bedächtig mit
der freien Hand über die zerrissene Haut auf seinem Gesicht und seiner
Brust. Keiner sagte ein Wort. War da noch eine Verbindung zwischen
ihnen? Damon betrachtete die Wunden an Stefanos Hals mit einem bei-
nahe sanften Ausdruck in seinen schwarzen Augen.
Elena ließ sie los und riss die Hände hoch. »Schön«, sagte sie. »Wenn
ihr einander nicht verzeihen könnt, dann denkt einfach über Folgendes
nach: Das Phantom will, dass ihr gegeneinander kämpft. Es will, dass ihr
einander tötet, einander hasst. Eure Eifersucht ist es, die das Phantom
nährt. Eines, was ich über euch weiß – über euch beide – ist, dass ihr
euren Feinden niemals das gegeben habt, was sie wollten, nicht einmal,
wenn es euch gerettet hätte. Werdet ihr diesem Phantom, diesem manip-
ulierenden Ungeheuer, jetzt geben, was es will? Wird das Phantom euch
kontrollieren, oder werdet ihr euch kontrollieren? Wollt ihr einander wirk-
lich für jemand anderen töten?«
Genau in diesem Moment blinzelten Damon und Stefano. Gleichzeitig.
Nach einigen Sekunden räusperte Stefano sich unbeholfen. »Ich bin
froh, dass du doch nicht tot bist«, sagte er.
Damons Mundwinkel zuckte. »Ich bin erleichtert, dass ich es nicht
geschafft habe, dich heute zu töten, kleiner Bruder«, antwortete er.
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Anscheinend war das alles, was sie zu sagen hatten. Sie sahen einander
noch einen Herzschlag lang in die Augen, dann wandten sie sich zu Elena
um.
»Also«, sagte Damon, und er begann zu lächeln, sein wildes, verwegenes
Lächeln, das Elena kannte. Damon, der Unaufhaltsame, Damon, der Anti-
held, war zurück. »Wie bringen wir dieses Miststück um?«
Mrs Flowers und das Phantom fochten noch immer ihre lautlose, beinahe
bewegungslose Schlacht aus. Doch Mrs Flowers begann an Boden zu ver-
lieren. Das Phantom stand jetzt breitbeiniger da und hatte die Arme aus-
gebreitet. Es gewann nach und nach die Macht, sich zu bewegen, und Mrs
Flowers’ Hände und Arme zitterten vor Anstrengung. Ihr Gesicht war
blass, und die Alterslinien um ihren Mund wirkten tiefer.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Elena zu Damon und Stefano und
führte sie zu den anderen, die sie wachsam und mit weißen Gesichtern an-
blickten. Vor ihnen brannten nur noch zwei Kerzen.
»Stefano«, sagte Elena. »Los.«
Stefano starrte auf die dunkelblaue Kerze auf dem Boden. »Ich bin in
letzter Zeit auf so ziemlich jeden eifersüchtig gewesen, wie es scheint«,
begann er, und die Scham war deutlich seiner Stimme zu entnehmen. »Ich
war eifersüchtig auf Matt, dessen Leben mir so einfach und gut erscheint
und von dem ich weiß, dass er Elena aus den Schatten hätte holen und ihr
das unkomplizierte Leben bieten können, das sie verdient. Ich war eifer-
süchtig auf Caleb, der die Art von Junge zu sein schien, der einen guten
Partner für Elena abgeben würde; ich war so eifersüchtig auf ihn, dass ich
ihm misstraut habe, noch bevor ich einen Grund dazu hatte. Ich dachte, er
sei hinter ihr her. Und vor allem war ich eifersüchtig auf Damon.«
Er wandte den Blick von der Kerze ab und sah seinem Bruder ins
Gesicht. Damon musterte ihn mit undurchdringlicher Miene. »Ich nehme
an, ich war schon immer eifersüchtig auf ihn. Das Phantom hat die
Wahrheit gesagt, als es das behauptete. Als wir noch lebten, war er älter,
schneller, stärker und weltgewandter als ich. Als wir starben« – Stefanos
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Lippen verzogen sich bei dieser Erinnerung zu einem bitteren Lächeln –,
»ist alles nur noch schlimmer geworden. Und in jüngster Zeit, als Damon
und ich entdeckten, dass wir zusammenarbeiten konnten, habe ich ihm
übel genommen, wie nah er Elena war. Er war ein Stück von ihr, an dem
ich keinen Anteil hatte, und es ist schwer, darauf nicht eifersüchtig zu
sein.«
Stefano seufzte und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasen-
rücken. »Aber die Sache ist die: Ich liebe meinen Bruder. Ich liebe ihn
wirklich.« Er schaute wieder zu Damon auf. »Ich liebe dich. Ich habe dich
immer geliebt, selbst in unseren schlimmsten Zeiten. Selbst als wir nur
den einen
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