Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
und machte Smalltalk
über das Wetter. Sie kam sich vor wie ein Feigling. Dabei war Meredith
Suarez kein Feigling. Doch was konnte sie sagen? Was, wenn sie einfach
paranoid war und ein lächerliches Theater um eine rein berufliche Bez-
iehung veranstaltete?
Sie sah Alaric aus dem Augenwinkel an. »Also …«, begann sie. »Erzähl
mir doch mal mehr von deinen Nachforschungen in Japan.«
Alaric fuhr sich mit den Händen durch sein bereits ziemlich zerzaustes
Haar und grinste sie an. »Die Reise war faszinierend«, berichtete er. »Sab-
rina ist so intelligent und erfahren. Sie konnte aus ihren Forschungen auf
eine ganze Zivilisation schließen. Es war eine echte Offenbarung für mich,
zu beobachten, wie viele Informationen sie aus den Gräbern gewonnen
hat. Ich wusste vorher nicht viel über forensische Anthropologie, aber sie
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konnte Erstaunliches über die Kultur von Unmei no Shima
rekonstruieren.«
»Klingt ja ganz so, als sei sie einfach umwerfend«, sagte Meredith – und
hörte die Säure in ihrem Tonfall.
Im Gegensatz zu Alaric. Er lächelte. »Sie hat eine Weile gebraucht, um
meine paranormalen Recherchen ernst zu nehmen«, sagte er kläglich.
»Parapsychologie wird von den Experten anderer wissenschaftlicher
Disziplinen nicht besonders hoch geschätzt. Sie denken, dass Leute wie
ich, die sich dafür entscheiden, ihr Leben lang das Übernatürliche zu stud-
ieren, Scharlatane sind. Oder einfach naiv. Oder ein wenig verrückt.«
Meredith zwang sich zu einem freundlicheren Tonfall. »Aber am Ende
konntest du sie überzeugen? Das ist gut.«
»Irgendwie schon, ja«, antwortete Alaric. »Wir haben uns jedenfalls
angefreundet, und sie hat aufgehört zu denken, ich sei ein absoluter Spin-
ner. Aber ich glaube, dass sie das alles jetzt, nach ihrem ersten Tag hier,
noch viel ernster nimmt.« Er lächelte schief. »Sie hat versucht, es zu ver-
bergen, aber es hat sie einfach umgehauen, als Stefano sie gestern gerettet
hat. Die Existenz eines Vampirs macht klar, dass es eine Menge Dinge gibt,
über die die konventionelle Wissenschaft nichts weiß. Ich bin mir sicher,
dass sie Stefano untersuchen will. Wenn er es ihr erlaubt.«
»Kann ich mir vorstellen«, erwiderte Meredith trocken. Sie widerstand
dem Drang, Alaric zu fragen, wie er eigentlich auf die Idee kam, dass Ste-
fano kooperieren würde – nachdem es ihm ganz offensichtlich ziemlich
missfallen hatte, dass Sabrina über seine Vampirexistenz Bescheid wusste.
Alaric schob seine Hand langsam über seinen Sitz und über die Hand-
bremse, bis er nahe genug war, um sachte mit einem Finger über
Meredith’ Arm zu streichen. »Ich habe eine Menge herausgefunden,
während ich fort war«, sagte er ernsthaft. »Aber nun mache ich mich mir
viel größere Sorgen darüber, was im Augenblick in Fell’s Church vorgeht.«
»Du meinst diese dunkle Magie, die sich hier angeblich erhebt?«, fragte
Meredith.
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»Ich meine jene dunkle Magie, die es auf Sabrina und dich abgesehen zu
haben scheint«, entgegnete Alaric mit Nachdruck. »Ich bin mir nicht sich-
er, ob auch nur eine von euch es ernst genug nimmt.«
Sabrina und ich, dachte Meredith. Er macht sich genauso große Sorgen
um sie wie um mich. Vielleicht noch größere.
»Ich weiß, dass wir bereits in der Vergangenheit gewissen Gefahren aus-
gesetzt waren, aber ich fühle mich verantwortlich für Sabrina«, fuhr Alaric
fort. »Ich habe sie hierher gebracht, und ich würde es mir niemals verzei-
hen können, wenn ihr etwas zustieße.«
Definitiv größere, dachte Meredith voller Bitterkeit und schüttelte Alar-
ics Hand ab.
Sie bereute es sofort. Was war los mit ihr? So war sie doch sonst gar
nicht. Sie war immer ruhig und vernünftig. Aber jetzt führte sie sich auf
wie, nun ja, wie eine eifersüchtige Freundin.
»Und jetzt bedroht es dich «, sprach Alaric weiter. Er berührte sie
zaghaft am Knie, und diesmal ließ Meredith seine Hand, wo sie war.
»Meredith, ich weiß, wie stark du bist. Aber es macht mir schreckliche
Angst, dass es sich nicht um die Art von Feind zu handeln scheint, die wir
gewohnt sind. Wie können wir gegen etwas kämpfen, das wir nicht einmal
sehen?«
»Wir können nur ständig wachsam sein«, antwortete Meredith. Ihre
Kampfausbildung war umfassend gewesen, aber diese neue Bösartigkeit
verstand nicht einmal sie. Allerdings wusste sie sich viel besser zu
schützen, als Alaric klar war. Sie sah ihn aus dem Augenwinkel an.
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