Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
warnend.
»Ich weiß «, gab Bonnie wütend zurück. »Aber sie hätte wenigstens
›Entschuldigung‹ sagen können, oder? Und was hat sie sich dabei gedacht,
Alaric zu bitten, sie an die Uni zu begleiten? Er ist praktisch gerade erst
angekommen. Er hat dich seit Monaten nicht gesehen, Meredith. Da wird
er natürlich nicht auf der Stelle wieder mit ihr aufbrechen.«
»Bonnie«, sagte Meredith mit seltsam erstickter Stimme.
»Was?«, fragte Bonnie, die Meredith’ seltsamen Tonfall bemerkte und
sich umsah. »Oh. Oh. Oh nein.«
Mrs Flowers’ Strickzeug war nicht nur vom Tisch gefallen, sondern das
Wollknäuel war über den Boden gerollt und hatte sich dabei abgewickelt.
Jetzt konnten sie alle in den hellrosa Fäden deutlich ein Wort lesen, das
quer über den Teppich geschrieben war:
bonnie
Kapitel Siebzehn
Sobald er draußen war, fiel Stefano wieder ein, dass Elena seinen Wagen
genommen hatte. Er lief in den Wald und begann zu rennen, wobei er
seine Macht benutzte, um seine Schritte zu beschleunigen. Das Hämmern
seiner Füße schien zu dröhnen: Bewache sie. Bewache sie.
Er wusste, wo Tyler Smallwood gewohnt hatte. Nachdem Elena an
jenem Ballabend von Tyler angegriffen worden war, hatte Stefano
entschieden, ihn im Auge zu behalten. Am Rande des Grundstücks der
Smallwoods kam Stefano aus dem Wald gestürzt.
Es war ein hässliches Haus, fand Stefano. Der ziemlich geschmacklose
Versuch, einen alten Südstaaten-Herrensitz zu imitieren. Die Villa war viel
zu groß für das Grundstück, auf dem sie stand, und von überflüssigen Säu-
len und verworrenen Rokoko-Dekorationen umgeben. Ein einziger Blick
genügte, und Stefano wusste, dass die Smallwoods mehr Geld als
Geschmack hatten und die Architekten keine Ahnung von echten klassis-
chen Formen.
Er klingelte an der Vordertür, dann erstarrte er. Was sollte er tun, wenn
Mr oder Mrs Smallwood an die Tür kam? Er würde sie beeinflussen
müssen, damit sie ihm so viele Informationen wie möglich über Caleb pre-
isgaben, ohne sich hinterher an Stefano zu erinnern. Er hoffte, dass er
dazu genügend Macht hatte: Seine letzte Mahlzeit war schon länger her
und hatte ja auch nur aus Tierblut bestanden.
Aber es kam niemand. Nach einigen Sekunden sandte Stefano seinen
Geist durch das Haus. Es war leer. Und er konnte nicht hinein, konnte
nicht Calebs Zimmer durchsuchen, wie er es gern getan hätte, denn ohne
eine Einladung saß er hier draußen fest.
Er wanderte um das Haus herum und spähte durch die Fenster, sah aber
nichts Ungewöhnliches, abgesehen von zu vielen vergoldeten Bilderrah-
men und Spiegeln.
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Hinter dem Haus fand er einen kleinen, weißen Schuppen. Er sandte
Macht in den Schuppen und spürte, dass etwas … nicht stimmte. Es war
nur ein winziger Anflug von Dunkelheit, das Gefühl einer bösen Absicht.
Der Schuppen war mit einem Vorhängeschloss versperrt, aber das
Schloss ließ sich leicht aufbrechen. Und da hier niemand wohnte, brauchte
er keine Einladung, um einzutreten.
Das Erste, was er sah, war Elenas Gesicht. Zeitungsausschnitte und Fo-
tos waren überall an die Wände geheftet worden: Elena, Bonnie, Meredith,
er selbst. Auf dem Boden befand sich ein Pentagramm mit weiteren
Bildern und Rosen.
Jetzt verfestigte sich Stefanos Gewissheit, dass etwas nicht stimmte.
Elena war in Gefahr! Er sandte Macht aus, suchte verzweifelt nach ir-
gendeiner Spur von ihr und rannte wieder los.
Als sie von der Blumenhandlung wegfuhr, ging Elena in Gedanken das Ge-
spräch mit Stefano noch einmal durch.
Was war nur los mit ihm, seit sie nach Fell’s Church zurückgekommen
waren? Es kam ihr so vor, als behielte er irgendwas für sich, als versteckte
er einen Teil von sich. Sie erinnerte sich an die Einsamkeit, an das
schwindelerregende Gefühl der Isolation, das sie bei ihrem Kuss
aufgespürt hatte. War es Damons Verlust, der Stefano veränderte?
Damon. Allein der Gedanke an ihn genügte, um einen beinahe körper-
lichen Schmerz in ihr wachzurufen. Der geheimnisvolle, schwierige,
schöne Damon. Gefährlich. Liebevoll auf seine eigene Art. Immer wieder
musste sie an seinen Namen denken, der auf Meredith’ Beinen erschienen
war.
Sie wusste nicht, was das bedeutete. Aber es bestand keine Hoffnung.
Sie musste aufhören, sich selbst zu belügen. Sie hatte Damon sterben se-
hen. Auch wenn es unmöglich schien, dass jemand von Damons Stärke
und vermeintlicher Unbesiegbarkeit so einfach sterben konnte, war
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