Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
ihrem Regal versteckt.
Dann schob sie den Gedanken beiseite. Sie hatte Angst, sich selbst ge-
genüber länger als einen Moment einzugestehen, dass sie diesen ver-
borgenen Schatz besaß – denn vielleicht würden die Wächter begreifen,
dass sie ihn hatte, und dann … Sie konnte ihn nicht benutzen … noch
nicht, vielleicht niemals.
Damon zog eine Schulter hoch. »Manchmal mogeln sie wohl ein wenig,
wie ich hörte. Aber es ist wahrscheinlicher, dass sie diesmal tatsächlich
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von der Wahrheit ihrer Aussagen überzeugt waren. Sie wissen auch nicht
alles, obwohl sie gern so tun. Aber Kitsune und Vampire liegen beide ein
wenig außerhalb ihres Fachgebiets.«
Er erzählte ihr, wie er erwacht war, tief vergraben in Asche und Sch-
lamm, wie er sich zur Oberfläche durchgegraben und sich auf den Weg
über den trostlosen Mond gemacht hatte, ohne zu wissen, wer er war oder
was ihm zugestoßen war. Und er erzählte ihr, wie er beinahe noch einmal
gestorben wäre und dass Sage ihn gerettet hatte.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Elena eifrig. »Wie hast du dich
dann an alles erinnert? Wie bist du zur Erde zurückgekommen?«
»Nun«, sagte Damon und schenkte ihr ein schwaches, liebevolles
Lächeln, »das ist eine witzige Geschichte.« Er griff in die Innentasche sein-
er Lederjacke und zog ein säuberlich gefaltetes weißes Leinentaschentuch
heraus. Elena blinzelte. Es sah genauso aus wie das Taschentuch in ihrem
Traum. Damon bemerkte ihren Gesichtsausdruck, und sein Lächeln wurde
breiter, als wisse er Bescheid. Er faltete es auseinander und hielt es Elena
hin.
In dem Taschentuch lagen zwei Haarsträhnen. Sehr vertrautes Haar, be-
griff Elena. Sie und Bonnie hatten sich jede eine Haarlocke abgeschnitten
und sie auf Damons Leichnam gelegt, in dem Wunsch, einen Teil von sich
selbst bei ihm zu lassen, da sie seinen leblosen Körper nicht mitnehmen
konnten. Vor ihr lag eine gelockte, rote Strähne und eine gewellte goldene,
so hell und glänzend, als seien sie frisch gewaschen und hätten nicht in
einer Welt, in der es Asche regnete, im Schlamm gelegen.
Damon betrachtete die Locken mit einem zärtlichen und zugleich ein
wenig ehrfürchtigen Ausdruck. Elena dachte, dass sie noch nie einen so of-
fenen, beinahe hoffnungsvollen Blick von ihm gesehen hatte.
»Die Macht aus der Sternenkugel hat auch diese hier gerettet«, erklärte
er. »Zuerst waren sie fast zu Asche verbrannt, aber dann haben sie sich re-
generiert. Ich habe sie in der Hand gehalten und sie angesehen und sie ge-
hegt, und du bist mir langsam wieder eingefallen. Sage hatte mir meinen
Namen gegeben, und er klang richtig für mich, aber ich konnte mich an
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nichts erinnern. Doch als ich diese Haarlocken in der Hand hielt, fiel mir
allmählich wieder ein, wer du warst und was wir zusammen durchgemacht
hatten, und all die Dinge, die ich …« Er hielt inne. »Die ich über dich
wusste und für dich empfand, und dann habe ich mich auch an das kleine
Rotkäppchen erinnert, und schließlich kam alles wieder zurückgeflutet
und ich war wieder ich selbst.«
Er schaute weg und verlor seinen empfindsamen Blick. Als sei es ihm
peinlich, setzte er seine gewohnte kühle Miene wieder auf, und schließlich
wickelte er die Locken in das Taschentuch und schob es behutsam zurück
in seine Jacke.
»Nun«, sagte er energisch, »dann musste Sage mir nur noch Kleider lei-
hen, mich über das ins Bild setzen, was ich versäumt hatte, und mich nach
Fell’s Church zurückbringen. Und nun bin ich hier.«
»Ich wette, er war erstaunt«, erwiderte Elena, »und geradezu ekstat-
isch.« Der vampirische Hüter des Torhauses war ein lieber Freund von Da-
mon, der einzige Freund von Damon, den sie kannte, abgesehen von ihr
selbst. Damons Bekannte waren im Allgemeinen eher Feinde oder
Bewunderer.
»Er war recht erfreut«, gab Damon zu.
»Also, du bist gerade erst auf die Erde zurückgekommen?«
Damon nickte.
»Nun, du wurdest hier sehr vermisst«, sagte Elena und stürzte sich in
den Bericht über die vergangenen Tage, beginnend mit Sabrinas in Blut
geschriebenem Namen und endend mit Calebs Einweisung ins
Krankenhaus.
»Wow.« Damon stieß einen leisen Pfiff aus. »Aber ich gehe davon aus,
dass hinter dem Problem mehr steckt als nur die Tatsache, dass mein
kleiner Bruder sich bei Caleb wie ein Wahnsinniger aufgeführt hat? Denn,
weißt du, das könnte schlichte Eifersucht gewesen sein. Eifersucht war
schon immer
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