Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
silbernen Kleid, wie sie in Stefanos Armen tanzte.
Die Bildunterschrift lautete: »Schulballkönigin Elena Gilbert und Schul-
ballkönig Stefano Salvatore in der Robert-Lee-Highschool.«
Schulballkönigin? Trotz des Ernstes der Situation verzogen ihre Lippen
sich zu einem Lächeln. Sie hatte die Highschool wirklich ruhmreich
abgeschlossen, nicht wahr?
Sie zog einen weiteren Zeitungsausschnitt von der Wand, und ihr
Gesicht erstarrte. Er zeigte einen Sarg, den Sargträger auf ihre Schultern
gehievt hatten, und verzweifelt dreinblickende Trauergäste im Regen. In
der Menge erkannte Elena Tante Judith, Robert, Margaret, Meredith und
Bonnie; sie pressten alle die Lippen zusammen, und Tränen strömten
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ihnen über die Wangen. Die Bildunterschrift lautete: »Die Stadt trauert
um Elena Gilbert, eine Schülerin unserer Highschool.«
Elena krampfte unbewusst die Finger zusammen und zerknitterte den
Ausschnitt. Dann drehte sie sich zu Stefano um. »Das hier dürfte gar nicht
hier sein«, sagte sie, und ein Anflug von Hysterie stahl sich in ihre Stimme.
»Die Wächter haben die Vergangenheit verändert. Es dürften keine Zei-
tungsartikel oder etwas Ähnliches übrig sein.«
Stefano erwiderte ihren Blick. »Ich weiß«, antwortete er. »Darüber habe
ich auch nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass die
Wächter vielleicht doch nur den Geist der Leute verändert haben, sodass
sie nichts von dem wahrnehmen können, was die Wächter auf unsere Bitte
hin auslöschen sollten. Die Beweise dieser Geschehnisse existieren zwar
offensichtlich weiterhin, doch die Menschen hier sehen nur das, was ihre
neuen Erinnerungen unterstützt, die Erinnerungen an eine normale Klein-
stadt und einen Haufen gewöhnlicher Teenager. An ein ganz normales
Schuljahr.«
Elena wedelte mit dem Zeitungsausschnitt. »Aber warum ist das dann
hier?«
Stefano senkte die Stimme. »Vielleicht funktioniert es nicht bei allen.
Ich habe ein Notizbuch von Caleb gefunden mit einigen Eintragungen, die
den Anschein erwecken, als erinnere er sich an zwei verschiedene Vergan-
genheiten. Hör dir das an.« Stefano wühlte in den Papieren auf dem
Boden und zog ein Notizbuch hervor. »Er schreibt: ›Es sind jetzt Mädchen
in der Stadt, von denen ich weiß, dass sie tot waren. Es gab hier Unge-
heuer. Die Stadt wurde zerstört, und wir sind geflohen, bevor sie auch uns
erwischen konnten. Aber jetzt bin ich zurück, und es ist, als wären wir
niemals fort gewesen. Und außer mir erinnert sich auch niemand daran.
Alles ist normal: keine Ungeheuer, kein Tod.‹«
»Hmm.« Elena nahm ihm das Notizbuch ab und überflog die Seiten.
Caleb hatte darin Listen geführt. Vickie Bennett, Caroline, sie selbst. Alle.
Jeder, der in dieser Welt anders war als in der anderen. Es fanden sich
auch Notizen in dem Büchlein, die seine Erinnerungen beschrieben – wie
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er geglaubt hatte, Elena sei tot, und was seiner Meinung nach vorging. Sie
blätterte einige Seiten weiter, und ihre Augen wurden groß. »Stefano, hör
dir das an. Tyler hat ihm von uns erzählt: ›Tyler hatte Angst vor Stefano
Salvatore. Er dachte, Salvatore hätte Mr Tanner getötet und außerdem et-
was Seltsames an sich gehabt, etwas Unnatürliches. Und er dachte, dass
Elena Gilbert und ihre Freunde in die Dinge verwickelt waren.‹ Und da ist
ein Sternchen, das darauf verweist, dass Mr Tanner in dem einen Erinner-
ungsstrang tot ist und in dem anderen lebt.« Elena überflog schnell einige
weitere Seiten. »Sieht so aus, als hätte er sich auf uns als die Ursache der
Veränderungen konzentriert. Er ist dahintergekommen, dass wir im Zen-
trum all dieser Ereignisse standen. Weil wir diejenigen sind, die sich am
meisten verändert haben – abgesehen von den Opfern der Vampire und
der Kitsune. Und weil er wusste, dass Tyler uns verdächtigt hat, gibt er uns
die Schuld an Tylers Verschwinden.«
»Zwei verschiedene Erinnerungsstränge«, wiederholte Stefano stirnrun-
zelnd. »Was, wenn Caleb nicht der Einzige ist, der sich an beide Realitäten
erinnert? Was, wenn der Zauber bei übernatürlichen Wesen oder bei Leu-
ten, die das Übernatürliche wahrnehmen, nicht gewirkt hat?«
Elena erstarrte. »Margaret – ich habe mich gefragt, ob sie sich wohl an
irgendetwas erinnert. Sie wirkte so erregt, als sie mich das erste Mal sah.
Sie hatte solche Angst davor, dass ich wieder weggehen und nicht mehr
kommen würde. Meinst du, sie erinnert sich daran,
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