Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
einem Fuß auf den anderen, während sie an ihm
vorbeigingen.
»Du bist eingeladen«, sagte Meredith, aber Stefano schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht«, erwiderte er. »Es funktioniert nur, wenn du hier
wohnst.«
Meredith’ Lippen wurden schmal. Dann drehte sie sich um und stapfte
entschlossen die Treppe hinauf. Es folgte ein kurzer, überraschter Aufs-
chrei, daraufhin gedämpfte Geräusche. Alaric sah Matt nervös an, dann
blickte er zur Treppe. »Sollen wir ihr helfen?«, fragte er.
Bevor Matt antworten konnte – und er war sich ziemlich sicher, dass
nicht Meredith diejenige war, die Hilfe brauchte –, kam sie zurück und
schubste Caleb vor sich her. Einen Arm hatte sie ihm auf den Rücken
gedreht.
»Lade ihn ein«, befahl sie, als Caleb stolpernd den Fuß der Treppe er-
reichte. Caleb schüttelte den Kopf, und sie riss seinen Arm weiter nach
oben, sodass er vor Schmerz aufheulte.
»Das werde ich nie tun«, erklärte er stur. »Du darfst nicht reinkom-
men.« Meredith stieß ihn zu Stefano hinüber und brachte ihn direkt auf
der Türschwelle zum Stehen.
»Sieh mich an«, sagte Stefano leise, und Calebs Blick flog zu seinem
Gesicht. Stefanos Pupillen weiteten sich und verschluckten ihre grüne Iris.
Caleb schüttelte hektisch den Kopf, schien aber außerstande zu sein, sein-
en Blick von Stefano loszureißen.
»Lass. Mich. Rein«, befahl Stefano.
»Dann komm rein«, antwortete Caleb mürrisch. Meredith ließ ihn los,
und sein Blick klärte sich. Er drehte sich um und rannte prompt die
Treppe wieder hinauf.
Stefano kam wie von der Tarantel gestochen durch die Tür gestürzt und
sprang hinter Caleb her. Seine glatten, leichten Bewegungen erinnerten
Matt an ein Raubtier – an einen Löwen oder einen Hai. Matt schauderte.
Manchmal vergaß er, wie gefährlich Stefano war.
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»Ich sollte ihnen besser folgen«, meinte Meredith. »Wir wollen doch
nicht, dass Stefano etwas tut, das er später bereut.« Sie hielt inne. »Jeden-
falls nicht, bevor wir herausgefunden haben, was wir wissen müssen. Alar-
ic, du bist derjenige, der am meisten über Magie weiß, also kommst du am
besten mit mir. Matt, halte die Augen offen und warne uns, falls die Small-
woods in die Einfahrt einbiegen.« Sie und Alaric begaben sich nun eben-
falls in den ersten Stock.
Matt wartete darauf, dass er Schreie hörte, aber es blieb bedrohlich still.
Er streifte durchs Wohnzimmer und behielt die Einfahrt durch die Fenster
im Auge. Er und Tyler waren früher einmal Freunde gewesen oder hatten
zumindest miteinander rumgehangen, weil sie beide in der Football-
mannschaft zur ersten Riege gehört hatten. Sie kannten einander seit der
Grundschule.
Tyler hatte zu viel getrunken, zu heftig gefeiert und war Mädchen ge-
genüber einfach ekelhaft gewesen. Und trotzdem hatte er etwas an sich ge-
habt, das Matt mitunter fasziniert hatte. Es war die Art, wie er sich in die
Dinge hineinstürzte, ganz gleich, ob es sich darum handelte, den gegn-
erischen Quarterback mit allen Mitteln zu Fall zu bringen oder die ver-
rückteste Party aller Zeiten zu geben. Oder, wie in der siebten Klasse, seine
Besessenheit davon, Street Fighter auf PlayStation 2 zu gewinnen. Jeden
Tag hatte er Matt und den Rest der Clique zu sich eingeladen, und sie hat-
ten alle stundenlang auf dem Boden von Tylers Zimmer gesessen, Chips
gefuttert, Mist geredet und auf die Knöpfe ihrer Geräte gehämmert, bis
Tyler dahintergekommen war, wie er jeden Fight gewinnen konnte.
Matt stieß einen Seufzer aus und spähte wieder durchs Fenster.
Von oben kam ein kurzer, gedämpfter Aufprall. Matt erstarrte. Dann
herrschte Stille.
Als er sich wieder umdrehte, um aufs Neue im Wohnzimmer auf und ab
zu gehen, bemerkte Matt ein eigenartiges Foto zwischen den säuberlich
aufgereihten Bilderrahmen auf dem Klavier. Er durchquerte den Raum
und griff nach dem Bild.
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Es musste beim Footballbankett aufgenommen worden sein, im ersten
Highschooljahr. Auf dem Bild lag Matts Arm um Elena, mit der er damals
ausgegangen war, und sie schaute lächelnd zu ihm auf. Neben ihnen stand
Tyler, Hand in Hand mit einem Mädchen, an dessen Namen Matt sich
nicht mehr erinnern konnte. Alison vielleicht oder Alicia. Sie war älter
gewesen, aus der Oberstufe, und sie hatte in diesem Jahr ihren Abschluss
gemacht und die Stadt verlassen. Für das Bild hatten sich alle in Schale ge-
worfen, er und Tyler in Jackett und Krawatte, die Mädchen in
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