Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
ein
Partykleid. Elena hatte ein weißes, vermeintlich schlichtes, kurzes Kleid
getragen und so hübsch ausgesehen, dass es Matt den Atem raubte.
Die Dinge waren so einfach gewesen, damals. Der Quarterback und das
hübscheste Mädchen der Schule. Das perfekte Paar.
Und dann ist Stefano in die Stadt gekommen, flüsterte ihm eine kalte,
mechanische Stimme zu, und hat alles zerstört.
Stefano, der vorgegeben hatte, Matts Freund zu sein. Stefano, der
vorgegeben hatte, ein menschliches Wesen zu sein.
Stefano, der es auf Matts Freundin abgesehen hatte, das einzige Mäd-
chen, in das Matt jemals wirklich verliebt gewesen war. Und wahrschein-
lich das einzige Mädchen, für das er jemals so empfinden würde. Na
schön, sie hatten sich getrennt, kurz bevor Elena Stefano kennengelernt
hatte, aber wenn er nicht gewesen wäre, hätte Matt sie vielleicht
zurückbekommen.
Matt verzog den Mund und warf den Bilderrahmen auf den Boden. Das
Glas zerbrach nicht, und das Foto lag einfach so da: Matt und Elena und
Tyler und das Mädchen, an dessen Namen er sich nicht erinnerte, lächel-
ten unschuldig zur Decke empor, ohne zu ahnen, was vor ihnen lag, ohne
etwas von jenem Chaos zu spüren, das knapp ein Jahr später ausbrechen
sollte. Wegen Stefano.
Stefano. Matts Gesicht war heiß vor Wut. In seinem Kopf summte es:
Stefano der Verräter. Stefano das Ungeheuer. Stefano, der Matts Mädchen
gestohlen hatte.
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Matt trat bedächtig auf das Foto und zermalmte es mit dem Absatz. Der
Holzrahmen zerbrach. Das zersplitternde Glas unter seinem Fuß ver-
ursachte ein seltsam befriedigendes Gefühl in ihm.
Ohne zurückzublicken, stapfte Matt durch das Wohnzimmer in Rich-
tung Treppe. Es wurde Zeit, dass er sich um das Ungeheuer kümmerte, das
sein Leben ruiniert hatte.
»Gib es zu!«, knurrte Stefano und tat sein Bestes, um Calebs Geist mit
seiner Macht zu bezwingen. Aber er war so schwach, dass Caleb ihn immer
wieder blockieren konnte. Es gab keinen Zweifel daran – dieser Junge
hatte Zugang zu Macht.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Caleb und presste sich an die
Wand, als könne er sich durch sie hindurch verflüchtigen. Sein Blick flack-
erte nervös von Stefanos zornigem Gesicht zu Meredith, die ihren Stab
zwischen den Händen balancierte, jederzeit zum Angriff bereit. »Wenn ihr
mich einfach in Ruhe lasst, werde ich nicht zur Polizei gehen. Ich will kein-
en Ärger.«
Caleb sah blass aus und kleiner, als Stefano ihn in Erinnerung hatte. Die
Prellungen auf seinem Gesicht waren deutlich zu sehen, und einer seiner
Arme steckte in einem Gipsverband und wurde von einer Schlinge gehal-
ten. Trotz allem verspürte Stefano Gewissensbisse.
Er ist kein Mensch, rief er sich ins Gedächtnis.
Obwohl … Caleb wirkte für einen Werwolf auch nicht allzu wölfisch.
Sollte da nicht etwas mehr von einem Tier in ihm sein? Stefano kannte
zwar nicht viele Werwölfe, aber Tyler hatte nahezu völlig aus großen
weißen Zähnen und kaum unterdrückter Aggression bestanden.
Neben ihm legte Alaric den Kopf zur Seite und musterte den verletzten
Jungen skeptisch. Dann sprach er Stefanos Gedanken aus und fragte:
»Bist du dir sicher, dass er ein Werwolf ist?«
»Ein Werwolf ?«, fragte Caleb. »Seid ihr alle total verrückt geworden?«
Aber Stefano beobachtete Caleb genau und entdeckte ein winziges
Flackern in seinen Augen. »Du lügst«, erklärte Stefano kalt, streckte
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erneut seinen Geist aus und fand endlich einen Riss in Calebs Abwehr.
»Du denkst gar nicht, dass wir verrückt sind. Es überrascht dich nur, dass
wir über dich Bescheid wissen.«
Caleb seufzte. Sein Gesicht war immer noch weiß und angespannt, aber
während Stefano sprach, verlor es eine gewisse Falschheit. Calebs Schul-
tern sackten herunter, und er trat ein kleines Stück von der Wand weg und
ließ erschöpft den Kopf sinken.
Meredith verkrampfte sich, bereit zum Sprung. Doch Caleb hielt inne
und hob die Hände. »Ich werde nichts versuchen. Und ich bin kein Wer-
wolf. Aber ja, ich weiß, dass Tyler einer ist, und ich schätze, ihr wisst das
ebenfalls.«
»Du hast das Werwolfgen«, erwiderte Stefano. »Du könntest ohne Weit-
eres auch ein Werwolf sein.«
Caleb zuckte die Achseln und sah Stefano direkt in die Augen. »Ich
schätze, du hast recht. Aber bei mir ist es nicht passiert; es ist bei Tyler
passiert.«
»Es ist passiert ?«, fragte Meredith, und ihre Stimme wurde vor Entrüs-
tung lauter.
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