Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
sollte. Und als sich die reine körperliche Wonne des Bluttrinkens, des tödlichen Aussaugens legte, spürte Damon einen scharfen Schmerz direkt unterhalb seines Brustbeins. Er presste eine Hand dagegen.
Da war eine hohle Stelle in ihm: ein Loch in seiner Brust, das alles Blut der hübschesten Mädchen dieser Welt niemals füllen konnte.
Unwillig schaute er auf den Leichnam zu seinen Füßen hinab. Er würde ihn wohl verstecken müssen. Er konnte ihn nicht hierlassen, so deutlich sichtbar auf dem Gehweg.
Die Augen des Mädchens schienen ihn ausdruckslos anzustarren. So jung, dachte Damon.
»E s tut mir leid«, sagte er kleinlaut. Er drückte ihr vorsichtig die Augen zu. So wirkte sie friedlicher. »E s tut mir leid«, wiederholte er. »E s war nicht deine Schuld.«
Er konnte nichts anderes sagen oder tun. Mit einer mühelosen Bewegung hob er den Leichnam hoch und verschwand in der Dunkelheit.
Kapitel Sechzehn
»O kay«, sagte Alaric und keuchte ein wenig. »D ieser Wegbeschreibung zufolge sollte die weiße Esche ungefähr eine halbe Meile von hier entfernt am Ufer eines Baches stehen.«
»E s geht noch weiter bergauf?« Bonnie stöhnte und wischte sich die verschwitzten roten Löckchen aus den Augen. Sie hatten die vergangene Nacht in einem schäbigen Motel verbracht und waren früh am Morgen zu ihrem Marsch aufgebrochen. Inzwischen fühlte es sich so an, als wanderten sie seit einer Ewigkeit auf diesem schmalen Bergpfad aufwärts. Zuerst hatte es noch Spaß gemacht: Es war ein schöner, sonniger Tag, und ein leuchtend blauer Eichelhäher war für eine Weile vor ihnen her von Baum zu Baum geflogen, was Bonnie wie ein gutes Omen erschienen war. Aber jetzt, nachdem der Fußmarsch bereits mehrere Stunden andauerte, war sie erhitzt und durstig– und sie waren immer noch nicht am Ziel.
»K omm schon, Bonnie«, sagte Meredith. »E s ist jetzt nicht mehr weit.« Sie schritt frisch vorneweg und wirkte so cool und entspannt, als mache sie einen kleinen Spaziergang über den Campus. Bonnie starrte finster auf den Rücken ihrer Freundin: Manchmal nervte es einfach, dass Meredith so gut in Form war.
Trotzig machte Bonnie für einen Moment Halt und trank etwas Wasser aus ihrer Feldflasche, während die anderen auf sie warteten.
»A lso, wie geht es weiter, wenn wir diese magische weiße Esche gefunden haben?«, fragte Zander und trat rastlos von einem Fuß auf den anderen.
Shay hätte bestimmt keine Pause gebraucht, dachte Bonnie säuerlich. Doch dann holte Zander seine eigene Feldflasche hervor, stieß sie freundschaftlich mit dem Ellbogen an und sie fühlte sich augenblicklich besser.
»N un, wir können den Baum nicht einfach fällen«, erwiderte Alaric ernst. »E r ist von großer spiritueller Bedeutung und bietet dieser Gegend Schutz. Aber den Überlieferungen zufolge handelt es sich um einen ziemlich großen Baum, deshalb müssten wir einige Äste abschlagen können, ohne allzu viel Schaden anzurichten.«
»I ch habe eine Axt mitgebracht«, sagte Meredith voller Tatendrang, als sie sich wieder in Bewegung setzten. »W ir werden so viele Pflöcke anfertigen, wie wir nur können, und dann jedem von uns einen in die Hand drücken.« Sie sah Zander an. »Z umindest jedem, der kein Wolf sein wird, wenn wir gegen Nicolaus kämpfen.«
»J a, es wäre ziemlich schwierig, einen Pflock in den Pfoten zu halten«, stimmte Zander ihr zu.
»W ir sollten auch die Blätter sammeln«, schlug Bonnie vor. »I n meinen Zauberbüchern habe ich gelesen, dass man aus den Blättern der Esche verschiedene Tränke und Tinkturen machen kann, die uns vielleicht ein wenig vor Nicolaus schützen. Eschenblätter sollen eine ähnliche Wirkung haben wie Eisenkraut auf die Kräfte eines gewöhnlichen Vampirs.«
»S ehr gut«, lobte Zander und legte ihr einen Arm um die Schultern. Bonnie lehnte sich an ihn und verlagerte ihr Gewicht. Ihre Füße taten weh.
»W ir werden alle Hilfe brauchen, die wir bekommen können«, stimmte Meredith zu und tauschte einen Blick mit Bonnie. Von den vier Personen auf diesem Berg waren sie beide die Einzigen, die schon einmal gegen Nicolaus gekämpft hatten und die wussten, in wie großen Schwierigkeiten sie steckten.
»I ch wünschte, Damon wäre an unserer Seite«, meinte Bonnie nervös. »M it ihm zusammen hätten wir in dem Kampf viel bessere Chancen.« Sie hatte schon immer eine besondere Verbindung zu Damon gespürt, seit der Zeit, als sie– ziemlich närrisch und peinlich– für ihn geschwärmt
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