Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
dem Schwarz und Rot zu folgen.
Diesmal führten sie die Farben zu einem schäbigen Haus mit einem schwach blinkenden Neonschild: Eddies Billard. Die Kneipe hatte geöffnet, aber auf dem Parkplatz standen nur zwei Autos. Nicht gerade ein Ort nach Elenas Geschmack– sie war ein wenig nervös, als sie auf den Eingang zuging. Ich bin in der Dunklen Dimension gewesen, rief sie sich ins Gedächtnis. Ich bin eine Wächterin. Hier gibt es nichts, das mir noch Angst machen kann. Sie schob sich durch die Tür und trat ein.
Der Barkeeper blickte kurz zu ihr auf und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu, dem Polieren von Gläsern. Zwei Männer saßen an einem kleinen runden Bistrotisch in der Ecke, rauchten und unterhielten sich leise. Sie schauten nicht einmal zu ihr hin. Die sechs Billardtische in der Mitte des Lokals waren unbenutzt. Bis auf eine Ausnahme.
An einem der Tische richtete Damon gerade sein Queue auf die Kugeln aus. Er wirkt ziemlich tough in seiner Lederjacke, dachte Elena, rauer und irgendwie weniger elegant als sonst. Ein kleinerer blonder Mann stand neben ihm. Als Damon die Kugeln anstieß, flog sein Blick kurz zu Elena. Seine schwarzen Augen verrieten keine Gefühlsregung.
»D as Spiel ist vorbei«, sagte er knapp zu seinem Gefährten, obwohl noch einige farbige Kugeln auf dem Billardtisch waren. Damon griff sich das Bündel Geldscheine von der Ecke des Tischs und stopfte es sich in die Tasche. Der Mann wollte offenbar etwas sagen, biss sich dann jedoch auf die Unterlippe, starrte zu Boden und blieb stumm.
»D u gibst nie auf, wie?«, bemerkte Damon, während er rasch den Raum durchquerte und vor Elena hintrat. Er taxierte sie mit seinem dunklen, abwägenden Blick. »I ch habe dir doch gesagt, ich werde dir nicht mehr helfen, Prinzessin.«
Elena spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Damon nannte sie immer noch Prinzessin, aber diesmal fehlte dem Spitznamen der liebevolle Ton, an den sie gewöhnt war. Jetzt klang er abschätzig, als wolle Damon sich nicht die Mühe machen, sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen. Sie versteifte sich und nutzte den aufsteigenden Ärger, um ihr Anliegen vorzubringen.
»D u steckst in Schwierigkeiten, Damon«, erklärte sie schroff. »D ie Oberwächterinnen wollen deinen Tod. Sie haben mir den Auftrag erteilt, dich umzubringen.« Für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass Damon erschrak. »I ch will es nicht tun, Damon«, fuhr sie fort. Ein flehentlicher Ton schlich sich in ihre Stimme. »I ch kann es nicht tun. Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät. Wenn du dich änderst…«
Damon zuckte die Achseln. »T u, was du tun musst, Prinzessin«, erwiderte er leichthin. »M ein letzter Tod ist noch gar nicht so lange her und ich bin trotzdem noch am Leben– deshalb mache ich mir auch jetzt keine allzu großen Sorgen.« Er drehte sich zum Gehen um, aber Elena wandte sich zur Seite und versperrte ihm den Weg.
»D u musst das ernst nehmen, Damon«, sagte sie. »S ie werden dich töten .«
»E hrlich gesagt«, seufzte Damon, »f inde ich das eine ziemlich übertriebene Reaktion. Na schön, ich habe jemanden getötet. Aber es war nur ein einziges Mädchen, in einer Welt mit Millionen von Mädchen.« Er schaute über ihre Schulter zum Billardtisch zurück. »J immy? Ordne die Kugeln an.«
Elena hatte das Gefühl, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen. Zuerst starrte sie ihn nur reglos an, dann folgte sie ihm an den Spieltisch. Jimmy arrangierte die Kugeln, und Damon eröffnete das Spiel, indem er sein Queue sorgfältig ausrichtete. »W as soll das heißen, du hast jemanden getötet?«, fragte Elena schließlich mit leiser Stimme.
Damons Gesicht zeigte eine undefinierbare Regung, die sogleich wieder verschwand. »I ch fürchte, ich habe mich hinreißen lassen«, erwiderte er unbefangen. »A ber das passiert selbst den Besten von uns, nehme ich an.« Er versenkte eine Kugel im Loch und ging um den Tisch herum für den nächsten Stoß.
Elena überschlug im Geiste, von welchen Opfern sie wusste: Da waren das Mädchen, das sie und Stefano bewusstlos im Wald gefunden hatten, und das Mädchen, von dem Damon hinter dem Geräteschuppen getrunken hatte. Beiden war es am Ende gut gegangen, nicht wahr? Sie hatten dafür gesorgt, dass sie sicher nach Hause gekommen waren. Und dann dämmerte ihr endlich, was Damon da gerade gesagt hatte, und das kalte Grauen überkam sie. Damon hatte ein anderes Mädchen getötet, eines, das sie nicht gefunden hatten. Obwohl die
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