Tagebuch (German Edition)
zuverlässig ist, ob die Hunde anschlagen, wenn sie jemanden hinter der Tür hören, wie das mit der Verbarrikadierung klappt, alles Mögliche.
Wir sind sehr stark daran erinnert worden, dass wir gefesselte Juden sind, gefesselt an einen Fleck, ohne Rechte, aber mit Tausenden von Pflichten. Wir Juden dürfen nicht unseren Gefühlen folgen, müssen mutig und stark sein, müssen alle Beschwerlichkeiten auf uns nehmen und nicht murren, müssen tun, was in unserer Macht liegt, und auf Gott vertrauen. Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!
Wer hat uns das auferlegt? Wer hat uns Juden zu einer Ausnahme unter allen Völkern gemacht? Wer hat uns bis jetzt so leiden lassen? Es ist Gott, der uns so gemacht hat, aber es wird auch Gott sein, der uns aufrichtet. Wenn wir all dieses Leid ertragen und noch immer Juden übrig bleiben, werden sie einmal von Verdammten zu Vorbildern werden. Wer weiß, vielleicht wird es noch unser Glaube sein, der die Welt und damit alle Völker das Gute lehrt, und dafür, dafür allein müssen wir auch leiden. Wir können niemals nur Niederländer oder nur Engländer oder was auch immer werden, wir müssen daneben immer Juden bleiben. Aber wir wollen es auch bleiben.
Seid mutig! Wir wollen uns unserer Aufgabe bewusst bleiben und nicht murren, es wird einen Ausweg geben. Gott hat unser Volk nie im Stich gelassen, durch alle Jahrhunderte hin sind Juden am Leben geblieben, durch alle Jahrhunderte hindurch mussten Juden leiden. Aber durch alle Jahrhunderte hindurch sind sie auch stark geworden. Die Schwachen fallen, aber die Starken bleiben übrig und werden nicht untergehen!
In dieser Nacht dachte ich eigentlich, dass ich sterben müsste. Ich wartete auf die Polizei, ich war bereit, bereit wie ein Soldat auf dem Schlachtfeld. Ich wollte mich gern opfern für das Vaterland. Aber nun, da ich gerettet bin, ist es mein erster Wunsch für nach dem Krieg, dass ich Niederländerin werde. Ich liebe die Niederländer, ich liebe unser Land, ich liebe die Sprache und will hier arbeiten. Und wenn ich an die Königin selbst schreiben muss, ich werde nicht aufgeben, bevor mein Ziel erreicht ist.
Ich werde immer unabhängiger von meinen Eltern. So jung ich bin, habe ich mehr Lebensmut, ein sichereres Rechtsgefühl als Mutter. Ich weiß, was ich will, habe ein Ziel, habe eine eigene Meinung, habe einen Glauben und eine Liebe. Lasst mich ich selbst sein, dann bin ich zufrieden! Ich weiß, dass ich eine Frau bin, eine Frau mit innerer Stärke und viel Mut!
Wenn Gott mich am Leben lässt, werde ich mehr erreichen, als Mutter je erreicht hat. Ich werde nicht unbedeutend bleiben, ich werde in der Welt und für die Menschen arbeiten.
Und nun weiß ich, dass Mut und Fröhlichkeit das Wichtigste sind!
Deine Anne M. Frank
Freitag, 14. April 1944
Beste Kitty!
Die Stimmung hier ist noch sehr gespannt. Pim ist auf dem Siedepunkt, Frau van Daan liegt mit Erkältung im Bett und schimpft, Herr van Daan ist ohne Glimmstängel und blass, Dussel, der viel von seiner Bequemlichkeit geopfert hat, hat alle möglichen Beanstandungen usw. usw. Wir haben im Augenblick kein Glück. Das Klo ist undicht, der Hahn überdreht. Dank der vielen Beziehungen wird sowohl das eine als auch das andere schnell repariert sein.
Manchmal bin ich sentimental, das weiß ich, aber manchmal ist Sentimentalität auch angebracht. Wenn Peter und ich irgendwo zwischen Gerümpel und Staub auf einer harten Holzkiste sitzen, einer dem anderen den Arm um die Schultern gelegt hat, er mit einer Locke von mir in der Hand, und wenn draußen die Vögel trillern, wenn die Bäume grün werden, wenn die Sonne hinauslockt, wenn der Himmel so blau ist, oh, dann will ich so viel!
Nichts als unzufriedene und mürrische Gesichter sieht man hier, nichts als Seufzen und unterdrückte Klagen sind zu hören, und es scheint, als wäre plötzlich alles schrecklich geworden. In Wirklichkeit ist es hier so schlecht, wie man es sich selbst macht. Hier im Hinterhaus geht niemand mit gutem Beispiel voran, hier muss jeder selbst sehen, wie er mit seinen Launen klarkommt.
»Wäre es nur schon vorbei!« Das hört man jeden Tag.
Meine Würde, meine Hoffnung, meine Liebe, mein Mut,
das alles hält mich aufrecht und macht mich gut!
Kitty, ich glaube, ich spinne heute ein bisschen, und ich weiß nicht, warum. Alles steht durcheinander, man merkt keinen Zusammenhang, und ich bezweifle manchmal
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