Tagebuch (German Edition)
nervös, kam herein, gefolgt von Herrn van Daan. »Licht aus, leise nach oben, wir erwarten Polizei im Haus!«
Es blieb keine Zeit für Angst. Die Lichter gingen aus, ich nahm noch schnell eine Jacke, und wir waren oben.
»Was ist passiert? Schnell, erzählt!«
Es war niemand da zum Erzählen, die Herren waren wieder unten. Erst um zehn nach zehn kamen sie alle vier herauf, zwei hielten Wache an Peters offenem Fenster. Die Tür zum Treppenabsatz war abgeschlossen, der Drehschrank zu. Über das Nachtlämpchen hängten wir einen Pullover, dann erzählten sie:
Peter hörte auf dem Treppenabsatz zwei harte Schläge, lief nach unten und sah, dass an der linken Seite der Lagertür ein großes Brett fehlte. Er rannte nach oben, verständigte den wehrhaften Teil der Familie, und zu viert zogen sie hinunter. Die Einbrecher waren noch am Stehlen, als sie ins Lager kamen. Ohne zu überlegen, schrie van Daan:
»Polizei!« Schnelle Schritte nach draußen, die Einbrecher waren geflohen. Um zu verhindern, dass die Polizei das Loch bemerkte, wurde das Brett wieder eingesetzt, aber ein kräftiger Tritt von draußen beförderte es noch mal auf den Boden. Die Herren waren perplex über so viel Frechheit. Van Daan und Peter fühlten Mordgelüste in sich aufsteigen. Van Daan schlug mit dem Beil kräftig auf den Boden, und alles war wieder still. Erneut kam das Brett vor das Loch, erneut eine Störung. Ein Ehepaar leuchtete von draußen mit einer grellen Taschenlampe das ganze Lager ab. »Verflixt«, murmelte einer der Herren, und nun änderten sich ihre Rollen, sie wurden von Polizisten zu Einbrechern. Alle vier rannten sie nach oben, Peter öffnete die Türen und Fenster von Küche und Privatbüro, warf das Telefon auf den Boden, und schließlich landeten sie alle, samt Waschzuber, im Versteck. (Ende des ersten Teils.)
Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte das Ehepaar mit der Taschenlampe die Polizei benachrichtigt. Es war Sonntagabend, der Abend des ersten Ostertages. Am zweiten Feiertag kam niemand ins Büro, wir konnten uns also vor Dienstagmorgen nicht rühren. Stell dir vor, zwei Nächte und einen Tag in dieser Angst zu verbringen! Wir stellten uns nichts vor, wir saßen nur im Stockdunkeln, weil Frau van Daan aus Angst die Lampe ganz ausgedreht hatte, wir flüsterten, und bei jedem Knarren klang es: »Pst! Pst!«
Es wurde halb elf, elf Uhr, kein Geräusch. Abwechselnd kamen Vater und van Daan zu uns. Dann, um Viertel nach elf, ein Geräusch von unten. Bei uns konnte man das Atmen der ganzen Familie hören, ansonsten rührten wir uns nicht. Schritte im Haus, im Privatbüro, in der Küche, dann … auf unserer Treppe. Keine Atemzüge waren mehr zu hören, acht Herzen hämmerten. Schritte auf unserer Treppe, dann Gerüttel am Drehschrank. Dieser Moment ist unbeschreiblich.
»Jetzt sind wir verloren«, sagte ich und sah uns schon alle fünfzehn noch in derselben Nacht von der Gestapo mitgenommen.
Wieder Gerüttel am Drehschrank, zweimal, dann fiel etwas herunter, die Schritte entfernten sich. Für den Moment waren wir gerettet. Ein Zittern durchlief uns alle, ich hörte Zähneklappern, aber niemand sagte ein Wort. So saßen wir bis halb zwölf.
Im Haus war nichts zu hören, aber auf dem Treppenabsatz direkt vor dem Schrank brannte Licht. War es deshalb, weil unser Schrank so geheimnisvoll war? Hatte die Polizei vielleicht das Licht vergessen? Kam noch jemand, um es auszumachen? Die Zungen lösten sich, im Haus war niemand mehr. Vielleicht noch ein Bewacher vor der Tür.
Drei Dinge taten wir nun, Vermutungen äußern, zittern vor Angst und zum Klo gehen. Die Eimer waren auf dem Dachboden, so musste Peters Blechpapierkorb herhalten. Van Daan machte den Anfang, danach Vater. Mutter schämte sich zu sehr. Vater brachte das Blechgefäß ins Zimmer, wo Margot, Frau van Daan und ich es gern benutzten. Endlich entschied sich auch Mutter dazu. Die Nachfrage nach Papier war groß, ich hatte zum Glück welches in der Tasche.
Das Gefäß stank, alle flüsterten, und wir waren müde, es war zwölf Uhr.
»Legt euch doch auf den Boden und schlaft!«
Margot und ich bekamen jede ein Kissen und eine Decke. Margot lag in der Nähe vom Vorratsschrank, ich zwischen den Tischbeinen. Auf dem Boden stank es nicht so schlimm, aber Frau van Daan holte doch leise ein bisschen Chlor und legte ein altes Tuch über den Topf.
Gerede, Geflüster, Angst, Gestank, Winde – und dauernd jemand auf dem Topf! Dabei soll einer schlafen! Um halb drei wurde
Weitere Kostenlose Bücher