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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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alles auf einmal; und faszinierte ja auch spürbar, sehr bald kam das gewohnte «Sie sind garkein Deutscher» – und dann verschwand das Geschöpf gleichsam in den Schatten der Nacht …
    Weiß bei alldem selber, wie ungerecht ich gegen mein eigenes Leben bin – schon äußerlich ist es ja außer der üblichen Ordnung: Luxushotel(s), in Capri durch Inge Feltrinelli sofort die besten Kontakte (also nicht «außen vor»), von allem nur das Beste, ob Weine oder Kaninchenrücken auf 6 Kräutern in einem Zitronen-Hain-Gartenrestaurant unterm Mond, heute der herrliche 1.-Klasse-Flug über die Alpen bei klarstem Wetter, ein köstlicher Imbiß, ein Glas Champagner. Aber auch innerlich: Ich lebe doch mit einem Hannah-Kasch-Copain, das, was ich immer suchte und wollte, ich kann, wenn ich will, nachts «zu Hause» anrufen, heute abend steht er am Flugplatz …
    26. Juli
    Gisela Lindemann (gestern?) tödlich beim Bergsteigen – vom Hause Muschgs aus – verunglückt. Ich erfahre das per Anruf des NDR – weil man mir 2 Aufträge «durchgeben» will …
    Vorgestern abend mit Roger de Weck im Mühlenkamper: Bucerius hat ihn – der «Nachfolger» und Verleger werden sollte – bereits weggegrault. Dieser über 80jährige, ungefähr 1 ½ Milliarden schwer, hat sein Haus nicht bestellt, niemand weiß, wer die Mäuse erben wird, wie es mit dem Verlag weitergehen soll, selbst Helmut Schmidt zieht sich deswegen – nach erfolglosen «Lösungsversuchen» – als Verleger zurück.
    Es ist dasselbe Phänomen wie bei Mary Tucholsky – die einerseits ein ewiges Monument errichten wollte und gleichzeitig alles tat, damit es eben nicht ewig sein kann, sondern möglichst mit ihr in die Grube fährt (der einzige Ort, wo sie den Kerl sicher hat …). Es KANN eben nicht sein, daß auch solche Menschen ersetzbar/ablösbar sind – ihr Werk, einerseits forever gedacht, soll andererseits sie nicht überdauern.
    Noch 26. Juli
    ZU MIR WILL KEIN GELD, NEIN, ZU MIR WILL ES NICHT, DAS GELD
    Der erste Besuch der Dame von Christie’s, mit der ich über den Verkauf des Mosaiks und des Christo sprechen wollte, verlief so: «Christo? Ja, SEHR interessant. Lebt der noch? Ach, und das ist alles Wunderlich hier bei Ihnen? Was macht der eigentlich? Meine Mutter hat mit ihm Abitur gemacht. Sehr schön, Ihr Botero – DEN nähmen wir sofort. Und Sie haben ja viel Jugendstil – darf unser Experte sich das mal anschauen? Auf Wiedersehen.»
    Anruf, Rückruf, Anruf. Was denn der Experte solle, ich verkaufe ja keinen JUGENDSTIL, sondern Christo und/oder das Mosaik. Ja, aber der Herr sei so nett und so interessiert. Höflicherweise bitte ich zum Tee.
    Der 2. Besuch, Auftritt Gräfin X. im Mini und ein Mr. Klein.
    «Also für den Christo ist die Obergrenze 20 – 25.000 Pfund.» Ich: «Aber Sie haben doch in London gerade einen, mit demselben Motiv, für 72.000 Pfund versteigert – nur SO eine Summe interessiert mich?!» «Dann überlegen Sie es sich doch besser noch mal. Und das Mosaik – ja, wir wissen ja nicht, ob es echt ist.»
    «Aber deswegen habe ich Ihnen ja Ektachrome und Fotos geschickt und mich an Sie gewandt, dann muß eben ein Experte es besichtigen.»
    «Nein, ich glaube, das machen wir nicht. Wir müssen erst mal die genaue Provenienz wissen – aber wissen Sie, wir suchen ja auch KUNDEN, es interessiert Mr. Klein, was Sie eventuell bei uns KAUFEN würden, DESHALB ist er mitgekommen.»
    Mr. Klein war indes mit Sherry und Tee von Tiffany-Schälchen zu Daum-Lampe zu Majorelle-Tisch geschlichen, hatte alles beschnüffelt und besichtigt, die feine Sabino-Obstschale und die Lederer- und die Minne-Skulpturen und muffelte dann: «Na gut, ich werde Ihnen zukünftig unsere ANGEBOTE schikken, Sie kaufen ja offensichtlich gerne.»
    Noch etwas Sherry, eine Davidoff, shake-hands, nice-to-see-you – – – das war’s.
    Sie wollten mir nur was verkaufen, NICHTS abkaufen. Und beim Rausgehen sagte der Experte: «Botero – das war doch ein Spanier, nicht wahr?»
    10. August
    Zu alt für Beerdigungen: die von Gisela Lindemann hat mich über Gebühr angestrengt, psychisch erschöpft. AUCH, weil mir Berlin so nahe kam – dieses Herbstlicht auf den Fichten des Zehlendorfer Waldfriedhofs, die roten Ebereschen, das Silber der Birkenstämme: Das gibt es SO nur in Berlin. Hat man also doch eine «Heimat»?
    Geschockt hat mich auch – immer wieder – dieser atavistische Ritus der «Leichenfeier», bei der lachend und scherzend Tatarbrötchen verschlungen werden,

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