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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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würde.» In solchen Gesprächen zeigt sich seine hohe Intelligenz und sachlich-journalistische Kompetenz (weswegen ich ihn ja neulich, zu meiner Freude und zum Entsetzen der Redaktion, als ZEIT-Artikler vorgeschlagen habe). Aber.
    ABER: Regelrecht widerwärtig waren mir seine als lustig gemeinten Erzählungen aus seiner ersten SPIEGELzeit, wo man soff und mindestens 3mal die Woche loszog. Was stört mich daran – und warum hat mich Ledigs Puff-Geherei nicht gestört? Und meine eigene Herumschlaferei in jenen Jahren, als zur einen Tür Linda hinausging und zur anderen irgendein Knabe hereinkam, als Sex einmal am Tag das mindeste war, meist «egal mit wem»?
    Weil Ledig (und Jane) mondän war(en), ein farbiges Paar außerhalb der Ordnung, und das Gaus-Paar so bürgerlich, sie immer mit Perlenkette über dem Bleyle-Kostüm und Handtäschchen am Arm – aus dieser Bürgerlichkeit auszusteigen: Das wird dann eben kleinbürgerlich. Und genau dieses Spießertum dampfte da bei seinen Erzählungen, es hatte alles den Kasinoton von «Was waren wir doch für tolle Hechte», diesen mir ekligen «Weiber»-Ton.
    Wobei mal zu untersuchen wäre, inwieweit «Macht» – oder Karriere – eben doch Aphrodisiaka sind, warum die alle bei ihren unaufhaltsamen Karrieren so aus der Rolle fielen (ich war Eckfried die ganzen Jahre TREU, sah niemand anderen, berührte niemand anderen; was ich oben schrieb, war NACH Eckfried). Das kann man ja bei Willy Brandt sehen (konnte man), jetzt bei Schröder oder Lafontaine oder Waigel – alle rasch die Dritt-Frau und noch rascher ein Kind. Statt Karriere-Knick der Karriere-Fick.
    8. März
    Vergangene Woche «Bruch» mit der Mondänen; endgültig platzte mir der Kragen bei ihrer Erklärung, daß ja mindestens 3 Menschen mein langes Fax (mit den Verwahrungen gegen ihre Unhöflichkeit und ihren Größenwahn) gelesen hätten; ob meiner Verwunderung, wer da alles meine Post sähe, kam – mit derselben unverschämten Naivität, mit der sie eben anruft respektive nicht anruft, wann es IHR paßt – der Satz: «Ich bin eben eine öffentliche Person.» Worauf ich «Gratuliere» sagte und einhängte.
    Vorgestern den auf graziöse Weise zugleich heiteren und selbstverliebten Hans-Jürgen Heinrichs zum Frühstück, an dem angenehm, daß er gebildet ist (sofort die Neuguinea-Skulptur als solche erkannte und das nicht für einen Holz-Baselitz hielt wie andere Besucher, wenn die wüßten, daß es Holz-Baselitze gibt) – und an dem rätselhaft, von was er (und seine Dame Gisela von Wysocki) lebt – immerhin gibt es da einen offensichtlich großen Besitz auf Gomera; «mit drei Leuten Personal, einer allein für den sehr großen Garten, Zimmern voller Bücher, Kamine, Musik‹salon›»; also vom Schreiben kann es nicht sein.
    Hôtel Lutetia, Paris, den 21. März
    Das war also die große Louvre-Woche. Verbrachte Glücks-Stunden nur vor den Bildern/Skulpturen – ob in einer Khmer-Ausstellung oder den Utrillos im kleinen Montmartre-Museum oder den Goyas/Zurbaráns/Velázquez des Louvre. Gut, daß ich das einsame Flanieren (und Dinieren) allmählich und mühselig mir «angelernt» habe. Dialog nur mehr auf dem Papier.
    Hôtel Lutetia, Paris, den 23. März
    En attendant Rouaud (der letztlich ein literarisches Leichtgewicht – ich sollte so jemanden nicht couronnieren …). Ohnehin immer wieder verstört über die französische Oberflächlichkeit: gestern abend «Diner» beim obersten Chef von Gallimard, Monsieur Cohen. Die Wohnung prätentiös-billig, wir waren in einem Raum mit Klappstühlen, Buffet (ohne Vorspeise, ohne Käse) im Flur, eine Sorte Wein. Kein Bild, kein schönes Möbel, keine Skulptur (keine Fauré-Vase, wie ich sie mir nachmittags «heimlich» kaufte) – und nur Geschwätz. Eben noch über Symbol und Illusion der Kunst, eine Sekunde später über einen Strand in Martinique, in einer Runde wurden allen Ernstes Ratespiele gespielt à la «Was für ein Tier wären Sie gerne?»; als ich «Loup blanc» sagte, hieß es «Voilà le poète» – so gibt ein Klischee dem anderen die Hand. Am schlimmsten der junge Gallimard im grauen Sommeranzug und offenem Hemd und kurzen Söckchen, wogegen selbst der Herr Unseld ein Elegant. Ein leicht betrunkener Dummkopf, nicht willens oder nicht in der Lage zu einem Gespräch. «Heine? Nein, der wird hier nicht gelesen.» Das war’s.
    Tatsächlich gibt es in den Buchhandlungen 1 Meter Handke, aber kein einziges Buch von Heine. Schockierenderweise ist auch Grass

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