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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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mich gelangweilt, außerdem machte ich mir Sorgen um dich.«
    »Habe ich gewonnen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Sie lächelte und seufzte auf. »Schon gut, es macht nichts.« Das Weiß ihrer Augen war gerötet, und unter dem matten Gold war ihre Haut grau.
    »Ist der Arzt schon hiergewesen?« fragte Struan.
    »Noch nicht.« May-may legte sich auf die Seite und rollte sich zusammen, aber die Schmerzen blieben. Sie schob das Kissen weg, aber als auch das nichts half, legte sie es wieder zurück. »Deine arme, alte Mutter ist ganz einfach alt«, erklärte sie mit einem unglücklichen Lächeln.
    »Wo tut es dir weh?«
    »Nirgends, überall. Ein guter Schlaf wird alles heilen, schon gut.«
    Er massierte ihr den Nacken und den Rücken und versuchte, sich dazu zu zwingen, das Unvorstellbare nicht zu denken. Wieder bestellte er Tee und eine leichte Mahlzeit, wieder versuchte er, sie zum Essen zu bewegen, aber sie hatte keinen Appetit.
    Bei Sonnenuntergang trat Ah Sam ein und wechselte ein paar Worte mit May-may.
    »Der Doktor ist da. Und Gordon Tschen«, sagte May-may zu Struan.
    »Um so besser!« Struan erhob sich und streckte sich.
    Ah Sam ging zu einem Juwelenschrein und nahm die kleine Elfenbeinstatue einer nackten Frau heraus, die auf der Seite lag. Zu Struans Verwunderung deutete May-may auf bestimmte Körperstellen der kleinen Statue und sprach lange auf Ah Sam ein. Ah Sam nickte und eilte hinaus. Struan folgte ihr verwundert.
    Der Arzt war ein älterer Mann in zerschlissenen schwarzen Gewändern mit langem, sorgfältig geöltem Zopf und klarblickenden Augen. Seine Finger waren lang und dünn, an den schmalen Handrücken traten die blauen Adern hervor. Aus einer Warze auf der einen Wange wuchsen ein paar lange Haare.
    »Es tut mir so leid, Tai-Pan«, sagte Gordon und verneigte sich zusammen mit dem Arzt. »Dies ist Ki Fa Tan, der beste Arzt in Tai Ping Schan. Wir sind so schnell wie möglich gekommen.«
    »Danke. Am besten, Sie kommen jetzt…« Struan hielt inne. Ah Sam war auf den Arzt zugetreten, hatte sich tief vor ihm verbeugt und zeigte ihm nun die Statue, wobei sie auf die Stellen wies, die May-may ihr gezeigt hatte. Dann beantwortete sie ausführlich seine Fragen.
    »Was, zum Teufel, tut er denn?«
    »Er stellt eine Diagnose«, erklärte Gordon Tschen und lauschte aufmerksam auf das, was Ki Fa Tan und Ah Sam einander zu sagen hatten.
    »An der Statue?«
    »Ja. Es wäre unschicklich für ihn, Tai-Pan, die Dame aufzusuchen, falls es nicht absolut notwendig ist. Ah Sam erklärt ihm, wo die Schmerzen sitzen. Haben Sie Geduld, bestimmt ist es nichts Ernsthaftes.«
    Schweigend betrachtete der Arzt die Statue. Schließlich blickte er Gordon an und sagte leise ein paar Worte.
    »Er meint, es sei keine leichte Diagnose. Mit Ihrer Erlaubnis würde er gern die Dame untersuchen.«
    Struan, der seine Ungeduld kaum zu beherrschen vermochte, ging den anderen voraus zum Schlafzimmer. May-may hatte die das Bett umgebenden Vorhänge herabgelassen. So zeichnete sich ihre Gestalt nur schattenhaft hinter ihnen ab.
    Der Arzt trat an May-mays Bett und verfiel wieder in Schweigen. Nach ein paar Minuten begann er leise mit May-may zu reden. Gehorsam kam May-mays linke Hand unter den Vorhängen hervor. Der Arzt ergriff ihre Hand und betrachtete sie prüfend. Dann drückte er seine Finger auf ihren Puls und schloß die Augen. Mit seinen Fingerspitzen begann er leicht auf ihrer Haut herumzuklopfen.
    Die Minuten verstrichen. Noch immer klopften die Finger langsam umher, als suchten sie etwas, das unmöglich zu finden war.
    »Was tut er jetzt?« fragte Struan.
    »Er lauscht ihrem Puls, Sir«, flüsterte Gordon. »Wir müssen uns ganz still verhalten. In jedem Handgelenk gibt es neun Pulse. Drei an der Oberfläche, drei ein wenig tiefer und drei ganz in der Tiefe. Aus ihnen schließt er auf die Ursache der Krankheit. Bitte, Tai-Pan, haben Sie Geduld. Mit den Fingern zu lauschen ist eine äußerst schwierige Sache.«
    Das Geklopfe mit den Fingern nahm noch immer kein Ende. Es war der einzige Laut in der Kammer. Ah Sam und Gordon Tschen horchten wie gebannt. Struan bewegte sich hin und wieder voller Unruhe, verhielt sich aber völlig still. Der Arzt schien in mystische Träumerei versunken.
    Dann hörte ganz plötzlich – als habe er eine flüchtige Beute zu fassen bekommen – das Klopfen auf, und der Arzt drückte fest zu. Eine Weile war er wie zu einer Statue erstarrt. Dann ließ er das linke Handgelenk auf der Decke liegen, während

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