Tai-Pan
Senhor.«
»Aber weshalb denn, Eminenz?«
»Für eine Handvoll Cinchona, die das Leben einer Frau gerettet hat, gibt es keinen Preis.«
»Selbstverständlich gibt es das. Ich habe gesagt, ich bin bereit zu bezahlen, was immer Sie verlangen. In Hongkong habe ich zwanzigtausend Taels dafür ausgesetzt. Ich werde Ihnen einen Sichtwechsel über diese Summe schicken.«
»Nein, Senhor«, erwiderte der hochgewachsene kirchliche Würdenträger geduldig. »Tun Sie das nicht, ich würde ihn doch zerreißen. Ich will für die Rinde keine Bezahlung.«
»Dann werde ich eine katholische Kirche auf Hongkong stiften«, sagte Struan. »Wenn Sie wollen, ein Kloster. Spielen Sie nicht mit mir. Eminenz. Geschäft ist Geschäft. Nennen Sie mir Ihren Preis.«
»Sie schulden mir nichts, Senhor. Sie schulden auch der Kirche nichts. Aber Gott haben Sie sehr viel zu verdanken.« Er hob seine Hand und machte das Zeichen des Kreuzes. »In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti«, sagte er ruhig und entfernte sich.
40
Als May-may erwachte, fühlte sie Struans Arme um ihre Schultern und die Tasse an ihren Lippen. Undeutlich vernahm sie, wie Struan ruhig mit Pater Sebastian sprach, aber sie gab sich keine Mühe, die englischen Wörter zu verstehen. Gehorsam schluckte sie den Cinchonatee und ließ sich wieder in halbe Bewußtlosigkeit zurücksinken.
Sie hörte den Mönch weggehen und war froh darüber, daß der Fremde fort war. Sie merkte, daß Struan sie nochmals anhob und ihr die Tasse an die Lippen setzte. Der scheußliche Geschmack verursachte ihr noch immer Übelkeit.
Durch den angenehmen Schleier, der ihre Sinne umgab, hörte sie, wie sich Struan in dem Bambussessel niederließ, und bald darauf seinen schweren, regelmäßigen Atem. Da wußte sie, daß er fest eingeschlafen war, und dies gab ihr das Gefühl tiefer Geborgenheit.
Das Geschwätz der beiden Amahs in der Küche, Ah Sams witzige, bissige Bemerkungen und Yin-hsis Parfüm – das alles war so angenehm, daß sie nicht ganz in den Schlaf zurücksinken wollte.
Ganz still lag sie da und fühlte, wie nach und nach ihre Kräfte zurückkehrten. Sie wußte, daß sie leben würde.
Ich werde den Göttern zum Dank für meinen Joss Räucherwerk verbrennen. Vielleicht werde ich auch dem Gott der Langröcke eine Kerze weihen. Immerhin hat der Mönch ja die Rinde gebracht – so abscheulich sie auch schmeckt. Vielleicht sollte ich auch eine Langrock-Christin werden. Dadurch würde der Mönch sehr an Gesicht gewinnen. Aber mein Tai-Pan würde es nicht billigen. Trotzdem könnte es nicht schaden. Gibt es keinen Gott der Langröcke, so schadet es nichts, und gibt es ihn – dann war ich sehr schlau. Ich möchte wirklich wissen, ob der Gott der Barbaren ähnlich ist wie unsere chinesischen Götter, die doch recht dumm sind, wenn man's bedenkt. Nein, eigentlich doch nicht. Sie sind wie Menschen mit ihren Schwächen und ihren Vorzügen. Und das ist sehr viel vernünftiger, als wie die Barbaren zu behaupten, daß ihr Gott vollkommen ist, alles sieht, alles hört, über alle zu Gericht sitzt und alle bestraft. Ich bin nur froh, daß ich nicht eine von ihnen bin.
Sie hörte das Rascheln von Yin-hsis Kleidern, roch ihr Parfüm und schlug die Augen auf.
»Du siehst besser aus, Erste Dame«, flüsterte Yin-hsi und kniete neben ihr nieder. »Sieh her, ich habe dir Blumen gebracht.«
Es war ein sehr hübscher kleiner Strauß. May-may nickte schwach, aber sie fühlte, daß sie bereits kräftiger war. Struan lag halb ausgestreckt in dem tiefen Sessel und schlief fest; sein Gesicht wirkte in der Gelöstheit des Schlafes verjüngt, trotz der dunklen Schatten unter den Augen und des hellroten Striemens am Kinn.
»Vater ist schon seit einer Stunde oder noch länger da«, sagte Yin-hsi. Sie trug eine hellblaue Seidenhose und eine knielange meergrüne Seidenjacke. Das Haar hatte sie mit Blumen geschmückt.
May-may lächelte, wandte das Gesicht dem Fenster zu und sah, daß es dämmerte.
»Wie viele Tage ist es her, seit das Fieber begonnen hat, Schwester?«
»Gestern abend erst hat es eingesetzt. Vater kam mit einem Langrock-Mönch. Sie haben dir den Zaubertrank gebracht, erinnerst du dich nicht? Ich habe Ah Sam, diese elende Sklavin, heute in aller Frühe in die Pagode geschickt, damit sie den Göttern dankt. Darf ich dich waschen? Ich werde dir auch das Haar aufstecken. Dann fühlst du dich gleich viel besser.«
»Ach ja, bitte, Schwester«, antwortete May-may. »Ich muß entsetzlich
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