Tai-Pan
soll.«
»Mauss?«
»Ach, Reverend Mauss. Er ist aus Kanton zurückgekehrt und hat Zimmer im Hotel bezogen.«
»Warum dieses ›ach‹, Vargas?«
»Nichts weiter, Senhor. Nur ein weiteres Gerücht«, antwortete Vargas ein wenig verärgert darüber, weil er seine Zunge nicht beherrscht hatte. »Wie es scheint … natürlich sind wir Katholiken gegen ihn eingestellt und traurig darüber, daß die Protestanten nicht dasselbe glauben wie wir, um des Heils ihrer eigenen Seelen willen. Nun, er hat einen Anhänger, dem er sehr zugetan ist, einen getauften Hakka mit Namen Hung Hsu Tsch'un.«
»Könnte Hung Hsu Tsch'un irgend etwas mit den Hung Mun zu tun haben – den Tongs?«
»Nein, Senhor. Der Name ist sehr häufig.«
»Ach ja, ich erinnere mich an ihn. Ein hochgewachsener, seltsam aussehender Mann. Fahren Sie fort.«
»Es gibt nicht viel zu erzählen. Er hat nur einfach unter den Chinesen von Kanton zu predigen angefangen, ohne Wissen von Reverend Mauss, wobei er sich als der Bruder von Jesus Christus bezeichnet und behauptet hat, daß er jede Nacht mit seinem Vater – Gott – spricht. Daß er der neue Messias ist und wie sein Bruder die Tempel säubern wird, und dergleichen ketzerischen Unsinn mehr. Offensichtlich ist er verrückt. Wäre es nicht so gotteslästerlich, es wäre sehr komisch.«
Struan dachte über Mauss nach. Er mochte diesen Mann und hatte Mitleid mit ihm. Dann entsann er sich wieder der Worte, die Sarah ihm entgegengeschleudert hatte. Ja, dachte er, du hast Mauss auf so manche Weise ausgenutzt. Aber dafür hast du ihm auch gegeben, was er sich wünschte – die Möglichkeit, Heiden zu bekehren. Ohne dich wäre er schon lange tot. Ohne dich … aber lassen wir die Sache ruhen. Mauss muß selber für sein Seelenheil sorgen, selber seine Erlösung finden. »Wer weiß, Vargas? Vielleicht ist Hung Hsu Tsch'un das, was er zu sein behauptet. Auf jeden Fall«, fügte er hinzu, als er Vargas' Betroffenheit bemerkte, »gebe ich Ihnen recht. Es ist nicht komisch. Ich werde mit Mauss reden. Vielen Dank, daß Sie mir davon erzählt haben.«
Vargas räusperte sich. »Ich wollte Sie fragen, könnte ich nächste Woche freibekommen? Die Hitze und – es wäre schön, mit der Familie wieder zusammen zu sein.«
»Gewiß. Nehmen Sie sich zwei Wochen, Vargas. Übrigens – ich glaube, für die portugiesische Kolonie wäre es gut, wenn sie ihren eigenen Klub hätte. Ich werde eine Spendenliste in Umlauf setzen. Sie werden hiermit zum vorläufigen Schatzmeister und Sekretär ernannt.« Er kritzelte etwas auf einen Block und riß das Blatt ab. »Das können Sie sofort kassieren.« Es war eine Anweisung über tausend Guineen.
Vargas war sichtlich beeindruckt. »Ich danke Ihnen, Senhor.«
»Danken Sie mir nicht«, antwortete Struan. »Ohne die Hilfe der Portugiesen hätten wir hier keine Kolonie.«
»Was sagen Sie nur zu dieser Nachricht, Senhor, zu diesem Leitartikel! Hongkong ist doch erledigt. Die Krone hat es abgelehnt, den Vertrag anzuerkennen. Die Zahl der Arbeitskräfte verdoppeln? Tausend Guineen? Ich verstehe das alles nicht mehr.«
»Hongkong bleibt am Leben, solange noch ein Kaufmann auf der Insel steht und ein Schiff der Marine im Hafen liegt. Keine Sorge. Irgendwelche Nachrichten für mich?«
»Mr. Skinner war hier und hat hinterlassen, er würde Sie gern zu einem Ihnen genehmen Zeitpunkt sprechen. Auch Mr. Gordon Tschen.«
»Lassen Sie Skinner ausrichten, daß ich heute abend in der Redaktion vorbeikomme. Und Gordon Tschen, daß ich ihn heute abend um acht Uhr an Bord der Resting Cloud erwarte.«
»Jawohl, Senhor. Da wäre noch etwas. Erinnern Sie sich an Ramsey? Den Matrosen, der desertiert ist? Er hat die ganze Zeit über in den Hügeln in einer Höhle gelebt, wie ein Einsiedler. Irgendwo am Peak. Er hat sich am Leben erhalten, indem er sich seine Nahrung im Fischerdorf an der Aberdeenbucht zusammengestohlen hat. Offenbar hat er dort auch ein paar Frauen vergewaltigt. Die Chinesen haben ihn erwischt, gefesselt und den Behörden übergeben. Gestern ist er zu hundert Peitschenhieben und zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden.«
»Hätten ihn doch besser gleich aufhängen sollen«, meinte Struan. »Die zwei Jahre steht er erst gar nicht durch. Die Gefängnisse sind noch immer Todesfallen, in denen es unbeschreiblich grausam zugeht.«
»Ja. Entsetzlich. Und ich danke Ihnen nochmals, Senhor. Unsere Kolonie wird Ihnen sehr dankbar sein«, sagte Vargas.
Er ging hinaus, kehrte aber sofort zurück.
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