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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Heimreise!«
    Sie tranken. Der trockene Sherry war ausgezeichnet.
    »Hier draußen wird jetzt Geschichte gemacht, Culum. Und niemand wäre besser in der Lage, Ihnen darüber zu berichten, als Ihr Vater.«
    »Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort, Culum: ›Die Wahrheit hat viele Gesichter‹«, sagte Struan.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Es bedeutet, daß meine Darstellung der ›Tatsachen‹ nicht notwendigerweise die einzig mögliche ist.« Das erinnerte ihn an den früheren Statthalter Ling, der nun in Ungnade gefallen war und in Kanton saß, weil seine Maßnahmen den Ausbruch des offenen Konfliktes mit den Briten herbeigeführt hatten. Man hatte ihn zum Tode verurteilt. »Ist Ling, dieser Teufel, noch immer in Kanton?«
    »Ich glaube wohl. Seine Exzellenz Ti-sen lächelte, als ich ihn vor drei Tagen nach ihm fragte, und erklärte geheimnisvoll: ›Der Zinnober ist der Sohn des Himmels. Wie vermag der Mensch zu wissen, was der Wille des Himmels ist?‹ Der Kaiser von China wird der Sohn des Himmels genannt«, erklärte Longstaff zu Culum gewandt. »Man nennt ihn auch Zinnober, da er stets mit zinnoberfarbiger Tinte schreibt.«
    »Eigenartige, höchst eigenartige Menschen, diese Chinesen, Culum«, sagte Struan. »So ist es zum Beispiel unter dreihundert Millionen Menschen nur dem Kaiser gestattet, Zinnobertinte zu benutzen. Stell dir das einmal vor. Wenn Königin Victoria sagte: ›Von jetzt ab ist es nur noch mir erlaubt, Zinnober zu verwenden.‹ So sehr wir sie lieben – die meisten Briten würden doch sofort auf jede Art von Tinte außer der zinnoberroten verzichten. Ich selber würde es tun.«
    »Und jeder Chinahändler«, fuhr Longstaff in einem unbewußt spöttischen Tonfall fort, »würde ihr sofort ein Faß mit dieser Farbe, zahlbar bei Lieferung, schicken und Ihrer Britannischen Majestät erklären, es wäre ihm ein Vergnügen, die Krone zu günstigen Preisen zu beliefern. Er würde auch den Brief mit Zinnober schreiben. Und das wohl zu Recht. Denn wo wären wir ohne Handel?«
    Es folgte ein kurzes Schweigen, und Culum fragte sich, warum sein Vater diese beleidigende Äußerung hingenommen hatte. Oder war es vielleicht gar keine Beleidigung? War es nicht einfach so, daß sich Aristokraten eben über alle lustig machten, die keine Aristokraten waren? Na ja, die Charta würde mit den Aristokraten ein für allemal aufräumen.
    »Sie wollten mich sprechen, Will?« Struan fühlte sich zu Tode erschöpft. Sein Fuß schmerzte, und auch seine Schultern taten ihm weh.
    »Tja, es hat da ein paar kleinere Sachen gegeben, seit … in den letzten zwei Tagen. Culum, würden Sie uns für einen Augenblick entschuldigen? Ich möchte mit Ihrem Vater allein reden.«
    »Gewiß, Sir.« Culum erhob sich.
    »Das ist nicht nötig, Will«, entgegnete Struan. Wäre nicht Longstaffs spöttisches Lächeln gewesen, er hätte Culum hinausgehen lassen. »Culum ist jetzt Kompagnon bei Struan. Eines Tages wird er als Tai-Pan regieren. Sie können ihm ebenso vertrauen wie mir.«
    Am liebsten hätte Culum erwidert: Ich werde mich niemals daran beteiligen, niemals. Ich habe andere Pläne. Aber er blieb stumm.
    »Ich muß Sie beglückwünschen, Culum«, sagte Longstaff. »Kompagnon von Noble House – das ist ein unschätzbarer Glückstreffer.«
    Nicht, wenn man bankrott ist, wäre es Struan beinah entfahren. »Setz dich, Culum.«
    Longstaff begann in der Kajüte auf und ab zu gehen und sagte schließlich: »Für morgen ist eine Zusammenkunft mit dem chinesischen Bevollmächtigten anberaumt, bei der die Einzelheiten des Vertrages besprochen werden sollen.«
    »Hat er Zeit und Ort vorgeschlagen, oder waren Sie es?«
    »Er.«
    »Vielleicht sollten Sie lieber absagen. Wählen Sie einen anderen Ort und eine andere Zeit.«
    »Warum?«
    »Weil er und alle Mandarine es als ein Zeichen von Schwäche auslegen werden, wenn Sie auf seinen Vorschlag eingehen.«
    »Gut. Wenn Sie glauben. Wie wäre es dann mit übermorgen? In Kanton?«
    »Einverstanden. Nehmen Sie Horatio und Mauss mit. Wenn Sie wollen, begleite ich Sie. Außerdem müssen wir vier Stunden zu spät kommen.«
    »Zum Teufel, Dirk, warum sollen wir es so lächerlich übertreiben? Vier Stunden? Das ist ein starkes Stück!«
    »Es ist nicht lächerlich. Wenn man sie von oben herab behandelt, manövriert man sie in eine ungünstige Position hinein.« Struan streifte Culum mit einem Blick. »Das orientalische Spiel muß man nach orientalischen Regeln spielen. Nebensächlichkeiten erhalten

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