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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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hinunter auf das Erste Batteriedeck. Die Decke war niedrig, und sie mußten die Köpfe einziehen, als sie nach achtern zu einer postenbewachten Kajüte gingen. Das ganze Schiff roch nach Schießpulver und Teer, Hanf und Schweiß.
    »Tag, Sir«, sagte der Marinesoldat zu Struan und richtete seine Muskete zum vorgeschriebenen Gruß auf ihn. »Stabswachtmeister!«
    Der Stabswachtmeister in scharlachroter Uniform mit schimmernden weißen Tressen stampfte aus der Wachkajüte heraus. Er sah so hart aus wie eine Kanonenkugel, und sein Kopf war auch ebenso rund. »Tag, Mr. Struan. Einen Augenblick, Sir.« Er klopfte ehrerbietig an die Eichentür der Kajüte. Eine Stimme antwortete: »Herein«, und er schloß die Tür hinter sich.
    Struan holte einen Stumpen hervor und bot auch Culum einen an. »Rauchst du jetzt, mein Junge?«
    »Ja. Danke, Vater.«
    Struan zündete Culums Stumpen und seinen eigenen an. Er lehnte sich an eine der zwölf Fuß langen Kanonen. Daneben lagen ordentlich aufgeschichtet und gefechtsbereit die Kugeln. Sechzigpfünder.
    Die Kajütentür öffnete sich. Longstaff, ein schlanker, lebhafter Mann mit hoher Stirn und dunklen Augen, trat heraus. Sein Haar war dunkel und nach der Mode gekräuselt; er trug einen dichten Backenbart. Der Posten präsentierte, und der Stabswachtmeister kehrte in die Wachkajüte zurück.
    »Hallo, Dirk, mein lieber Freund. Wie geht es Ihnen? Ich war von den Nachrichten sehr bestürzt. Es tut mir leid.« Longstaff schüttelte nervös Struans Hand, lächelte dann Culum an und streckte ihm ebenfalls seine Hand hin. »Sie sind sicher Culum. Mein Name ist William Longstaff. Ich bedaure es, daß Sie unter so entsetzlichen Umständen hierhergekommen sind.«
    »Ich danke Ihnen, Exzellenz«, antwortete Culum, darüber verwundert, daß der Generalbevollmächtigte für den Handel noch so jung war.
    »Haben Sie etwas dagegen, einen Augenblick zu warten, Dirk? Besprechung des Admirals mit den Kapitänen. In ein paar Minuten bin ich fertig«, sagte Longstaff mit einem Gähnen. »Ich habe sehr viel mit Ihnen zu besprechen. Falls Sie sich dazu imstande fühlen.«
    »Ja.«
    Longstaff warf besorgt einen Blick auf seine mit Edelsteinen besetzte goldene Taschenuhr, die an einer Kette über seiner Brokatweste hing. »Fast elf Uhr! Stets scheint einem die Zeit davonzulaufen. Würden Sie lieber in die Offiziersmesse hinuntergehen?«
    »Nein. Wir warten hier.«
    »Ganz wie Sie wollen.« Longstaff kehrte rasch in die Kajüte zurück und schloß die Tür.
    »Er ist noch sehr jung für einen Generalbevollmächtigten, nicht wahr?« fragte Culum.
    »Ja und nein. Er ist sechsunddreißig. Weltreiche werden von jungen Männern geschaffen, Culum. Alte Männer verlieren sie.«
    »Er sieht so gar nicht englisch aus. Ist er aus Wales?«
    »Seine Mutter ist Spanierin.« Und das erklärt den grausamen Zug bei ihm, dachte Struan. »Sie war eine Gräfin. Sein Vater war Diplomat am spanischen Hof. Eine dieser ›standesgemäßen‹ Eheschließungen. Seine Familie ist mit den Earls of Toth verwandt.«
    Wenn man nicht als Aristokrat geboren ist, dachte Culum, gibt es nicht die geringste Hoffnung, da kann man noch so tüchtig sein. Oder es muß eine Revolution geben. »Die Zustände in England sind sehr schlimm«, erklärte er seinem Vater.
    »Wieso, mein Junge?« fragte Struan.
    »Die Reichen sind zu reich und die Armen zu arm. Weil sie Arbeit suchen, strömen die Menschen in die Städte. Aber es gibt mehr Menschen als Arbeitsplätze, und so bezahlen die Arbeitgeber immer weniger. Die Menschen verhungern. Die Führer der Chartisten sitzen noch immer im Gefängnis.«
    »Das gehört sich auch so. Dieser demagogische Pöbelhaufen gehört überhaupt aufgehängt oder deportiert und nicht einfach nur ins Gefängnis gesteckt.«
    »Billigst du etwa den Chartismus nicht?« Culum war plötzlich auf der Hut. Die Charta des Volkes war vor weniger als drei Jahren verfaßt worden und war inzwischen zum gemeinsamen Symbol der Freiheit für alle Unzufriedenen in Britannien geworden. Die Charta verlangte das Stimmrecht für jeden Mann, die Abschaffung des Eigentumsnachweises für Parlamentsmitglieder, Wahlbezirke von gleicher Größe, geheime Wahl, jährliche Parlamentssitzungen und Diäten für Parlamentsmitglieder.
    »Ich billige sie als ein Dokument berechtigter Forderungen. Aber ich billige weder die Chartisten noch ihre Führer. Die Charta ist eine Sammlung von im Grunde guten Ideen – nur sind sie in die Hände der falschen Führer

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