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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Töle?«
    »Vielleicht sollten wir ihn laufen lassen. Er scheint etwas zu wittern.«
    Das war Johannes’ Stimme. Darauf folgte Gerit Janson.
    »Selbst wenn Ihre Nichte noch am Leben sein sollte, mit ihrem versehrten Bein könnte sie niemals so weit gekommen sein … es ist bestimmt ein Tier, das der Hund wittert.«
    Elisa hielt den Atem an. Sie betete innerlich zu Gott, zu der Göttin Pele, zu dem großen weißen Hai, der sie schon einmal am Leben gelassen hatte. Sie hoffte inständig auf ein Wunder. Aber es blieb aus. Jetzt sprach Piet van Ween.
    »Nimm den Hund und geh nachsehen, Johannes. Da muss etwas sein. Die Töle macht doch sonst nicht so viel Radau.«
    Der Hund fing aufgeregt an zu jaulen, als er, von Johannes an der Leine gehalten, aus der Kutsche sprang.
    Elisa wusste, dass ihr nur noch wenige Minuten blieben, wenn überhaupt, bis Johannes mit der Fackel die Böschung hinaufgeklettert war. Ihr Versteck war lediglich ein stacheliger halbhoher Busch. In unmittelbarer Nähe wuchs eine Palme. Einen Moment überlegte Elisa in ihrer Panik, ob sie es wagen sollte, sich so weit an dem Stamm der Palme hochzuziehen, dass sie zumindest vor den Zähnen des Hundes sicher war. Doch es war zu spät. Vor ihr stand Johannes. Er hielt den Hund mit einem knappen Befehl zurück, beugte sich zu Elisa und flüsterte ihr zu.
    »Gedankt sei Gott, dem Allmächtigen. Du lebst!«
    Elisa wollte ihm etwas sagen. Sie wollte ihn bitten, sie nicht zu verraten, damit sie sich vor Janson in Sicherheit bringen konnte. Aber als sie ihre Lippen öffnete, kam kein einziger Laut. Johannes sah sie im Schein der Fackel an. Er sah ihren nassen, zerrissenen Unterrock, das Blut an ihren Beinen und vor allem ihr Zittern. Sein Blick verriet eine Mischung aus Wut und Mitgefühl, als er erneut flüsterte.
    »Das war Janson. Er hat dir Gewalt angetan, nicht wahr?«
    Elisa nickte. Mühsam zurückgehaltene Tränen schossen ihr in die Augen. Johannes nickte. Sein Blick zeigte grimmige Entschlossenheit, als er leise weiter sprach.
    »Er wird es wieder tun … Glaube mir, bitte, Elisa, ich hatte keine Ahnung, dass er über Kelii und dich Bescheid wusste. Ich habe es ihm nicht gesagt … Aber mein Stiefvater, Piet, er war ebenfalls oben am Wasserfall. Er hat auch mich und Leilani gesehen und verraten … Es ist etwas sehr Ungutes im Gange.«
    »Johannes?! Was gibt es da oben?«
    Elisa hörte, wie jetzt auch Piet van Ween die Böschung hinaufkletterte. Johannes rief ihm rasch zu: »Hier ist ein Tierkadaver … sieht aus wie ein wilder Hund. Ich komme wieder runter.«
    Schnell flüsterte er Elisa zu: »Versuche bis zum Dorf zu kommen, zu Kelii oder zumindest zu seiner Familie … Und lass mir irgendwie eine Nachricht zukommen. Ich werde gegen Mittag am Wasserfall sein, morgen oder übermorgen. Gott schütze dich.«
    Dann war er mit dem Hund verschwunden.
    Elisa wusste im Nachhinein nicht mehr, wie sie es bis zur Abzweigung geschafft hatte. Aber die Kutsche kam kein zweites Mal auf der Straße an ihr vorbei. Johannes musste die Männer in der Höhle auf der Suche nach ihr hingehalten haben. Oder aber er hatte sie davon überzeugen können, dass Elisa im See ertrunken war. Dann warteten sie bis zum Morgengrauen, um den Grund des Sees nach ihrer Leiche abzusuchen. Jedenfalls war sie Johannes mehr als dankbar. Auch wenn sie sein Verhalten nicht ganz deuten konnte, hatte er sich als ihr Freund bewährt.
    Amala war mit den anderen Frauen und Mädchen, die tagsüber auf der Plantage arbeiteten, auf dem Weg zur Arbeit, als sie Elisa fanden. Sie hatte es nicht bis hinauf zum Wasserfall geschafft, sondern war einen guten Kilometer davor vor Erschöpfung ohnmächtig geworden. So erzählte es ihr Amala später am Abend, nachdem sie von der Arbeit zurückgekehrt war. Selbst die jungen Mädchen, traditionell Plappermäuler, hatten den Ernst der Lage erkannt, als sie Elisas Verletzungen sahen. Sie wussten, was geschehen war. Amala hatte mit allen Mädchen des Dorfes über die weißen Männer gesprochen. Noelanis Schicksal war schmerzhaft präsent. Man wusste von Gewalttätigkeiten. Zudem war Elisa lang genug aus ihrer Ohnmacht erwacht, um zu signalisieren, warum sie auf keinen Fall zurück auf die Plantage wollte.
    »Kelii, ich will zu Kelii. In seine Hütte. Ich werde auf ihn warten. Für meine Familie bin ich gestorben …«
    Zu dieser Zeit wusste niemand, dass das die letzten Worte waren, die Elisa Vogel für viele Monate sprechen würde.
    Man brachte sie zunächst in

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