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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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spürte, dass auch er in diesem Moment an sie dachte. Unbedingt musste sie bald mit ihm sprechen. Etwas wirklich Gravierendes musste geschehen sein, da weder sein Vater noch er rechtzeitig zum Vollmondfest zurück sein konnten. Es war das erste Mal, dass das traditionelle monatliche Dorffest ausgefallen war. Das hatte Elisa heute im Dorf erfahren, aber niemand konnte oder wollte ihr genau sagen, warum. Elisa war am frühen Morgen, im Licht der ersten Dämmerung, zum Wasserfall hinaufgestiegen, weil sie sich Sorgen um Kelii machte. Seit sie sich kannten, war nie mehr als ein Tag vergangen, ohne dass er irgendwo in ihrer Nähe aufgekreuzt war. Meistens sahen sie sich sogar ein bis zweimal pro Tag und zusätzlich noch in der Nacht.
    Auf der Plantage wollte nicht einmal Amala sagen, warum alle Hawaiianer mit einem Mal so bedrückt waren. Lag es wirklich nur an Leilanis Schwangerschaft? Aber selbst, wenn niemand glücklich darüber war, dass ein gemischtes Paar wie Johannes und Leilani ein Kind bekam, so waren Mischlingskinder schon seit Jahren kein Weltuntergang mehr! Was das betraf, musste sie Johannes insgeheim recht geben. Einige halbweiße Babys gab es inzwischen, die in hawaiischen Familien einfach mit aufwuchsen, ohne dass sich jemand daran störte. Die Hawaiianer hatten eine angenehm unkomplizierte Einstellung zu Kindern aller Hautfarben. Ein Keiki, ein Kind, war grundsätzlich willkommen und wurde geliebt und als zur Familie gehörig betrachtet.
    Anders war es jedoch mit gemischten Paaren, denn die hatten es in beiden Kulturen schwer, wenn sie heiraten wollten. Auch wenn es einige Liebespaare gab, war eine solche Eheschließung nach wie vor ungewöhnlich. Hatten Kelii und sein Vater die kluge Leilani deshalb fortgebracht? Verlangte sie mehr als ein weiteres Bastardkind auf der Insel? Wollte sie für immer mit Johannes leben, und ihr Vater hatte es nicht erlaubt?
    Elisa nahm sich vor, ihren Freund bei der erstbesten Gelegenheit zu fragen, ob er etwas herausgefunden hatte. Sie sah zu ihm herüber. Auch wenn er sich angeregt mit der Frau des Pfarrers zu unterhalten schien, wirkte er jetzt ganz anders als noch vor drei Tagen unten am Strand. Charmant und eloquent gab er den jungen Weltenbummler, erzählte Amüsantes und Unterhaltendes aus San Francisco und gab seine wilden Erfahrungen mit den Goldgräbern zum Besten. Und dann hörte Elisa etwas, das sie zutiefst erschreckte. Die Frau des Pfarrers gratulierte Johannes zu seiner brandneuen Stellung als Verwalter – bei Gerit Janson …
    Als sie über eine Stunde später zu dritt den kleinen Weg von der sandigen Straße zum Berg der Grotten entlanggingen, schien der Mond immer noch hell und klar. Unter ihnen, in der Nähe der kleinen Bucht, wo die Küstenstraße in ein Stück geschützten Strand überging, stand die Kutsche. Eine der eingespannten jungen Stuten, die von Janson an ihr Geschirr gewöhnt wurden, wieherte einige Male panisch. Janson lachte neben Elisa.
    »Sie hat Angst … alles macht diesem Vieh Angst, die Nacht, das Kutschgeschirr, jedes noch so kleine Geräusch. Wenn nur ein Hund sie anbellt, droht sie schon durchzugehen. Ich befürchte, meine Elli wird im Gegensatz zu Bessi nie ein gutes Kutschpferd. Ich werde sie wohl verkaufen müssen. Ängstliche Stuten taugen nichts, und ihre Fohlen sind meist schwach …«
    Johannes pflichtete ihm sofort bei, aber Elisa reagierte instinktiv irritiert.
    »Elli ist doch noch so jung. Das haben Sie auf der Fahrt hierher selber gesagt.«
    Janson nickte, erklärte Elisa dann aber ausführlich, dass er über die Jahre sehr viel Erfahrung mit der Pferdezucht gewonnen habe. Man könnte leicht testen, ob ein Pferd für das komplexe Kutschgeschirr taugt oder höchstens einen Pflug über den Acker ziehen kann. Bestimmte Kriterien würden vor allem bei Stuten gelten.
    »Wenn man eine Stute das erste Mal zum Decken zum Hengst bringt, dann ist es schon klar … man kann sehen, ob sie sich seinem Willen leicht fügt oder ob sie einen Kampfinstinkt hat. Und dann gibt es welche, die zittern einfach nur vor Angst und lassen alles mit sich geschehen. Zu denen gehört Elli … Zu wenig Lebenswillen! Wahrscheinlich wird sie auch vor dem Pflug versagen und vorzeitig beim Pferdemetzger enden. Ein ängstliches Kutschpferd kann ich nicht brauchen.«
    Johannes und er begannen, über Pferde fachzusimpeln, während Elisa auf dem Weg zur Grotte ihren eigenen Gedanken nachging. Beim Abschied vom Haus hatte ihre Mutter ihr erneut warnende Worte

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