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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tun haben?« fragte Leonora erstaunt.
    »Ja. Das heißt …«
    »Wo drückt der Schuh, Pater?« Sir Anthony goß ihm einen weißen Rum mit Orangensaft ein. »Suchen Sie keine höflichen Worte, sagen Sie es frei heraus.«
    »Nun gut! Muß Mr. Reißner unbedingt dabeisein?«
    »John Hannibal?« Leonora schüttelte verblüfft den Kopf. »Was haben Sie gegen ihn, Pater Lucius?«
    »Er ist ein Abenteurer.«
    »Das wissen wir. Das hat er uns lang und breit erzählt.«
    »Er ist ein Mensch ohne Skrupel.«
    »Das müßte erst bewiesen werden«, warf Sir Anthony ein. »Ein großes Mundwerk hat er, und einen Kursus für Benehmen hat er nie besucht, das stimmt alles. Aber er ist auch ein Kerl, den so schnell nichts umwirft. Urwalderfahren – er kann Miss Patrik bestimmt viel helfen.«
    »Reißner fährt nur mit, um Geld aus der Expedition zu schlagen.«
    »Wollen das – seien wir doch ehrlich! – nicht alle? Kreijsman sucht Diamanten, wo es keine Diamanten gibt, Zynaker fliegt nur, weil er dafür gute Dollars bekommt, Reißner will Fotos machen und Filme drehen und damit ins große Reportergeschäft kommen, Schmitz, der schwärmerische Junge, will die große Welt kennenlernen und wird vielleicht auch mal darüber schreiben, später, wenn er Arzt geworden ist, und Sie, Pater, ziehen mit, um im letzten Niemandsland unserer Erde Heiden zu bekehren, Gottes Wort zu verkünden und eine Kirche zu errichten. Außerdem wird es Ihrem armen Orden Geld einbringen. Jeder hat also seinen eigenen Vorteil im Auge. Was stört Sie da so an Reißner?«
    Pater Lucius trank mit bebender Hand sein Glas Rum mit Orangensaft. Er umklammerte es so fest, daß man meinen konnte, er halte sich an dem Glas fest. »Auf meinen Orden komme ich noch zu sprechen.« Er stellte das Glas ab und wischte sich mit der Hand über die schwitzende Stirn. Es war ein schwüler Abend, wie sie in Papua-Neuguinea häufig sind. »Reißner hat natürlich herausgefunden, was Kreijsman in das unbekannte Land treibt. Er ist der Ansicht, daß – da wir alle eine Gemeinschaft sind und ohne uns auch Kreijsman nicht zu seinem Ziel kommen würde – Kreijsman von seinem Gewinn die Hälfte behält und die andere Hälfte unter den übrigen aufteilt. Damit ist das Drama schon geschrieben.«
    »Hat Reißner das Ihnen selbst gesagt?« fragte Leonora betroffen.
    »Ja. Ganz deutlich.«
    »Das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage!«
    »Ich glaube nicht, daß Sie ihm das ausreden können.« Pater Lucius räusperte sich. Was er jetzt zu sagen hatte, klang verdammt nach einem billigen Kriminalroman. Aber oft ist die Wirklichkeit erschreckender als die trivialste Phantasie. »Ich traue Reißner ohne weiteres zu, Unfälle oder sonst was zu inszenieren, um schließlich die fünfzig Prozent von Kreijsman allein zu kassieren.«
    »Du lieber Himmel! Sie trauen ihm Morde zu?« rief Sir Anthony entsetzt.
    »Ja.«
    »Das sagen Sie als Priester?«
    »Ich kann Morde nicht verhindern, ich kann die Toten nur segnen – wenn ich nicht der erste bin auf seiner Liste.«
    »So weit denken Sie bereits?« Leonora war aus ihrem Sessel aufgesprungen und lief unruhig auf der Terrasse hin und her. »Das sind doch Hirngespinste!«
    »Sie haben seine Augen nicht gesehen, als er seinen Plan vortrug. Das sind Wolfsaugen, kalt, ausdruckslos, unergründlich, starr. Jeder Mensch hat lebende Augen, ein Stück seiner Seele spiegelt sich in ihnen – Reißner hat tote Augen, in denen keine Regung mehr liegt. Haben Sie das noch nicht bemerkt?«
    »Nein. Ehrlich gesagt, ich habe ihm noch nie so tief in die Augen geschaut.«
    »Das sollten Sie aber.« Pater Lucius leerte sein Glas; er spürte den Rum ein wenig im Kopf und fühlte sich nicht mehr so gehemmt. »Nun zu meinem Orden! Der möchte auch mitmachen.«
    »Aber das tut er doch durch Sie.« Sir Anthony schüttelte den Kopf. »Soll noch ein Pater mitziehen?«
    »Nein. Wir sollen bei Foto-, Film- und Video-Aufnahmen einige Markenartikelfirmen in den Vordergrund stellen. Zum Beispiel die Hersteller der Konserven, die wir mitnehmen. Oder den Hersteller der Zelte und Schlafsäcke. Wer hat das Schlauchboot geliefert? Wenn es im Fernsehen gezeigt wird, weiß es jeder.«
    »Die Expedition von Miss Patrik als wandernde Reklametafel!« Sir Anthony war sichtbar empört. »Und deswegen kommen Sie noch einmal zurück? Warum werden Sie nicht glutrot vor Scham?«
    »Ich schäme mich ja.« Pater Lucius hob beide Hände, als wolle er um Entschuldigung bitten. »Aber wenn mein Prior

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